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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 49.1938

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Wohnräume und Arbeitsräume
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https://doi.org/10.11588/diglit.10945#0339
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INNEN-DE KORATI ON

325

KONFERENZZIMMER EINER REICHSBEHÖRDE BEZÖGE: SYNTHET. KUNSTROSSHAARGEWEBE

WOHNRÄUME UND ARBEITSRÄUME

Menschen von Selbstbeobachtung haben seit je
ein Gefühl dafür bekundet, daß die räumliche
Umgebung das Gemüt verschieden »stimmt«: aktiv
oder passiv, strebend oder lässig, sucherisch oder
zufrieden. Das hat seine besondere Bedeutung, wo
es sich um den Unterschied zwischen Wohn- und
Arbeitsraum handelt. Der Wohnraum darf etwas
Befriedendes, sogar Einlullendes haben. Sein Dienst
besteht ja gerade darin, daß er den Bewohner nicht
auf Leistung hin anredet, sondern ihn von seinem
Recht auf ruhendes, entspanntes Verweilen zu über-
zeugen sucht. Er wird dem Bewohner freundliche
Objektbeziehungen darbieten, so daß das Ausruhen
nichts Totes, aber auch die Objektbeziehung nichts
Stimulierendes hat. - Der Arbeitsraum wird darauf
bedacht sein, die Aktivität des Bewohners wachzu-
rufen und wachzuhalten. Er wird streben, das Gemüt
zu spannen und ihm, wenn nicht geradezu einen An-
sporn, so doch genügend Freiheit zur natürlichen
schöpferischen Auswirkung zu bieten. Goethe — um

einen Menschen von stärkster schöpferischer Potenz
zu nennen - scheint das Bedrängende, Lähmende
einer überladenen Umgebung sehr lebhaft empfunden
zu haben. Sein oft angeführter Ausspruch: »Präch-
tige Gebäude und Zimmer sind für Fürsten und
Reiche. Wenn man darin lebt, fühlt man sich be-
ruhigt, man ist zufrieden und will nichts weiter« —
bestätigt das von der einen, sein simples Arbeits-
zimmer in Weimar von der andern Seite. Aber von
der »Pracht« ganz abgesehen: von einer viel weiter-
gehenden, fast magischen Empfindlichkeit für die
dingliche Umwelt spricht eine Bemerkung, die er
Eckermann gegenüber machte: »Die Personen, die
Gegenstände, die uns umgeben, haben auf uns ihren
Einfluß; der Teelöffel geniert uns, wenn er von Gold
ist, da er von Silber sein sollte, und so, durch tausend
Rücksichten paralysiert, kommen wir nicht dazu,
was etwa Großes in unserer Natur sein möchte, frei
auszulassen. Wir sind die Sklaven der Gegenstände
und erscheinen gering oder bedeutend, je nachdem
 
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