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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 50.1939

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Kropp, Ernst: Betrachtungen über eine kommende Ornamentik, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.10971#0105
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INNEN-DEKOR AT ION

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H. H. LQTTGEN »KQCHE DES HAUSES H. B.« SCHWARZ-WEISSE BODENPLATTEN, SCHWARZER LINOLEUMBELAG

die je nach dem Rhythmus innerer Bewegung im
lebenden Stoff zum Ausdruck kommt und durch Ver-
erbung sich weiterbildet.

Ohne Zweifel gibt es auch Farbenentwicklungen
(Anpassungsvermögen), die Zweck haben, wie das
Wiesel zum Schutz im Winter weißes und im Sommer
braunes Fell hat.

Mimikry hat jedoch in der Ornamentik wenig Be-
deutung, und es wird nie nachzuweisen sein, daß der
Schmuck in der Natur den Zweck hat, zu locken,
ebensowenig wie der Gesang dazu da ist, um zu
gefallen oder Ständchen zu bringen. Ein Lockruf ist
noch kein Gesang.

Sobald man zu der Überzeugung kommen wird,
daß das wahre Wesen des Schmuckes nie Gestalt,
Zweck oder Schilderung sein kann, sondern als
innerer, zweckloser Ausdruck der Lebensfreude im
Rhythmus sich äußert, der als Struktur oder als far-
bige Zeichnung im Material der Form erscheint, wird
das Schmücken durch Blätter, Blumen oder figür-
liche Darstellungen von selbst aufhören.

Eine Gestalt mit Gestalt schmücken, wie es die

Zeichnung an diesen Gestalten erscheint uns als
etwas Spielerisches, Unbestimmtes und Zweckloses.
Denn die Gestalt erfüllt auch ohne Schmuck ihren
Sinn und kann auch ohne Schmuck ihre Schönheit
erreichen, wie uns die ungeschmückten Organismen
in der Natur und die ungeschmückten Dinge im
Menschenwerk beweisen. Wie in der Natur, so hat
auch der Mensch das Verlangen, einige seiner Werke
besonders schön und reich zu schmücken, während
alles schmücken zu wollen eine Steigerung ins Un-
erträgliche wäre.

Der Naturschmuck kommt bekanntlich in der
stärksten Lebensfreude, in der Blüte, in der Zeit der
Paarung am wirkungsvollsten zum Ausdruck, ja oft
erscheint er nur in dieser Zeit, wie z. B. bei den
Fischen. Wenn man aber bedenkt, daß die Pflanzen
ihre Blütenpracht nie geschaut haben, die Meer-
schnecke die Schönheit ihres Hauses nicht kennt und
der Schmetterling den Schmuck seiner Flügel nicht
sieht, so kann man nur zu der Überzeugung kommen,
daß die Überfülle von Lebendigkeit und Sinnlichkeit,
die den Körper durchdringt, auch Farbe entwickelt,
 
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