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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Eine Wohnraumgruppe der "Meisterräume"
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0189
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»SPEISEZIMMER« RIO-PA1.1SANDER MATT MIT EINGELEGTEN VERGOLDETEN ADFRN. - ENTW. UNI) AUSF. »MEISTER R ALI MF.«

EINE WOHNRAUMGRUPPE DER »MEISTERRÄUME

Die Hausratgestaltung der Gegenwart hat es längst
verlernt, sich schülerhaft auf historische Möbel-
stile zu beziehen, d. h. sie in ihren buchstäblichen Ein-
zelheiten nachzuahmen. Aber im menschlichen Tun
gibt es Zusammenhänge, die an bleibende Bestim-
mungsgründe der Menschennatur, der Werkstoffe
oder der Arbeit geknüpft sind. Der gotische Faltstuhl
(aus dem bekanntlich später der französische »Fau-
teuil« hervorgegangen ist) hat kaum den altrömischen
Faltstuhl zum buchstäblichen Vorbild gehabt; er ist
wahrscheinlich eigenwüchsig im Norden wieder ent-
standen aus dem Konstruktionsgedanken der ge-
kreuzten Schemelstützen. Der feingeschwungene
Schinkelstuhl, dessen Rücklehnenkurve die gebogene
Linie der Füße schwanenhalsartig fortsetzt, gleicht
fast völlig dem antiken klismos, der eleganten Stuhl-
form des griechischen Frauengemachs. Aber er ist
nicht äußerlich übernommen, sondern ein geistiges
Zwischenglied, das Einstimmen der Schinkelzeit in
die edle Rationalität der Antike, bildet die Verbindung.

Wenn in der Wohnraumgruppe der Berliner »Mei-
sterräume«, die unsre hier folgenden Abbildungen
schildern, die Linie des klassizistischen Hausrats so
bestimmt und doch so frei anklingt, so läuft auch da
die Verbindung über das Geistige, genauer: das Klas-
sizistische ist nicht als Formenvorrat, sondern als Ge-
sinnung herangezogen. Enthält doch diese Gesinnung
vieles, das sich den modernen Begriffen von guter
Möbel- und Raumgestaltung in spontaner Freund-
schaft zukehrt. Für den Klassizismus handelte es sich,
soweit die Geräteform in Frage kommt, um die Rück-
führung des Möbels auf die einfache Grundform, um
die Heraushebung des Kubus bei den Kastenmöbeln
und der konstruktiv notwendigen Teile bei den andern.
Besonders aber kommt die natürliche, die überhisto-
rische Verknüpfung mit dem heutigen Gestaltungs-
denken zum Vorschein, wenn man ins Auge faßt, daß
der Klassizismus grundsätzlich den rationellen Auf-
bau des Möbels, die verstandesmäßige Trennung der
tragenden und der lastenden Glieder und die klare

1940. VI. 3*
 
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