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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 51.1940

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Michel, Wilhelm: Symbolgehalt in Bauformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.10972#0297
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INNEN-DEKORATION

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»thüringer schänke im untergeschoss« decke, wandverkleidung und möbel: lärche natur mattiert
tischplatten: ahorn, säulen : stampfbeton gekrönelt, klinkerboden, deckenleuchten : schmiedeeisen

Dies hat sich in der Geschichte der Baukunst an vielen
Stellen gezeigt. Nicht vom Reichtum lebt die Archi-
tektur, auch nicht von der bloßen Macht; sie lebt von
kraftvollen, plastischen Gefühlen, von geistbeschwing-
tem, charaktervollem Menschentum. Sie blüht auf in
Zeiten, da das menschliche Leben die »Randgewalten«
spürt, die sein Feld bedrohend und begeisternd umge-
ben. Mag einzelnen Geschlechtern da und dort die
harte, nüchterne Bindung des Bauens an Zweck und
Wahrhaftigkeit zur guten Schule gedient haben - zum
vollen Augenaufschlag kommt die Architektur nur
dort, wo sie über die Zweck- und Wahrhaftigkeits-
frage hinauswächst in die Zone des reinen Aus-
drucks, wo sie schwungvolle, überprivate Gefühle
und Gedanken als eigentlichen Stoff ihres Bildens
gewinnt. »Ich will von meinem Baumeister,« sagte
einst ein Fürst, »daß er Großes denkt, Gott fürchtet
und Feuer in der Seele hat. Er soll kalt sein wie
Eis, wenn sich mein Blut in weiten Entwürfen er-
hitzt; aber wenn mir in den täglichen Geschäften des
Staates die Glut verflogen ist, soll er sie mir in den
ausgearbeiteten Plänen wiederbringen und sie völlig
in das dauernde Werk eingießen.« Es wäre im selben

Augenblick um die Architektur geschehen, wenn sie
je diese Beziehung zum geistigen »Feuer« und den auf
»Dauer« gerichteten Ehrgeiz verlöre. So merkwürdig
uns die prunkvollen Nekropolen gewisser asiatischer
Völker oder die mit so phantastischem Aufwand er-
richteten Pyramiden Ägyptens berühren mögen — in
ihnen lebt das große Wissen, daß die Architektur nur
im Bauen für die Dauer und für unvergängliche
Zwecke zu ihrer eigentlichen Aufgabe gelangt.

Für die alten Völker hatte nur die Totenwelt, das
unbedingte Jenseits des Lebens, die Marke der Dauer.
Schon die Griechen aber sahen Ewiges auch im Dies-
seits, und den späteren Jahrhunderten hat sich der
Schwerpunkt des Daseins immer mehr in die Tagwelt
verlegt, wo die Mächte des starken Lebens das Zepter
führen. Geblieben aber ist der Architektur das Wissen,
daß sie sich am höchsten erfüllt, wo sie dem Über-
privaten, der Gemeinschaft dient, und von da leitet
sie sinnvoll alle die Dienste ab, welche sie dem täg-
lichen Leben erweist - dem diesseitigen Leben, das
seit den alten Zeiten, von denen wir sprachen, so
Außerordentliches an Würde und Geltung, selbst vor
»ewigen« Maßstäben, gewonnen hat. Wilhelm michel
 
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