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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

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Michel, Wilhelm: Licht im Wohnraum
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https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0020
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M-DE KG RATION

t nem bescheidenen, ungenügenden Stande blieb.
Aber das Entscheidende war, daß sich die Menschen
einer älteren Zeit ihr eigenes Lichtverlangen nicht
eingestanden haben, daß sie die Befriedigung dieses
Lichtverlangens in der Wohnung bis in die Neuzeit
herein für eine Art Luxus gehalten haben. Noch im
Anfang des vorigen Jahrhunderts war es allgemeine
Anschauung, daß sich gewisse soziale Schichten die-
sen Luxus gestatten durften, während er anderen, z.B.
selbst dem Großbauer, der auf eigener Scholle saß und
sehr wohl die Mittel zu einem gewissen Aufwand ge-
habt hätte, nicht zukam. Zimmer mit großen Fen-
steröffnungen, das war nichts für den Bauern, und
von den Bürgern durfte sich diesen Luxus nur der
besonders gutsituierte gestatten. Ja, an gewissen
Typen deutscher Bauernhöfe kann man erkennen, daß
die Bewohner sich das eigne Lichtverlangen nicht
klargemacht oder aus gewissen Gründen unterdrückt
haben; denn bei dem Schwarzwälder oder oberbayri-
schen, zum Teil auch bei den niederdeutschen Bauern-
haustypen nehmen die weit vorspringenden Dächer
und Altane vielen Fenstern den vollen Lichteinfall
weg; auch wenn sie, wie es die Regel ist, völlig frei-
stehen und von Bäumen nicht beschattet sind, haben
viele ihrer Innenräume nur ein kärgliches Tageslicht.

So ist das Licht, der edelste Freund der mensch-
lichen Behausung, lange von dieser ausgesperrt ge-
blieben; wenigstens hat es ihr nicht die Fülle seines
Segens schenken dürfen. Wir wissen ja, daß selbst in
der neueren Zeit, als die Wohnhausplanungen schon
längst lichtfreundlicher geworden waren, eine ge-
wisse Vorliebe für dunkle, satte Wand- und Raum-
farben bestehen geblieben war. Das Licht ist uns so
wichtig geworden, daß eine moderne Wohnung ohne
reichliche Tageslichtversorgung nicht mehr denkbar
ist. Und wir brauchen bei der Erklärung dieser Licht-
freude nicht einmal an die hygienische Seite der Sache
zu denken. Daß Licht Bakterien tötet, daß es Ordnung
und Sauberkeit befördert, ist schön von ihm. Sein
Wohnwert steht vor allem aber darin, daß es das Ge-
müt jederzeitin die kräftigsten, produktivsten Schwin-
gungen setzt, daß es erheitert und belebt. Licht erreicht
nicht nur die Haut, auf die es scheint; es erreicht
durch die Haut, durch unser Auge hindurch die Seele
und unser Herz. Dort aber strahlen die Kräfte seiner
Natur ermunternde und erweckende Wirkungen aus.
Der Drang nach Tätigkeit, die Lust an weitgreifen-
den, ins Offene zielenden Planungen und der Geist,
sie durchzuführen, werden durch das Licht befreit
und in Bewegung gesetzt. Wilhelm michel

Ii

PJ

architekt werner m. moser - zürich. - haus v. s. »treppe in der halle des erdgeschosses«
 
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