Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 53.1942

DOI Artikel:
Michel, Wilhelm: Freude am Arbeitsraum
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.10968#0045
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
INNEN-DEKORATI ON

37

arbeiters spielt die Freude am Arbeitsplatz und am
Handwerkszeug eine ganz besondere Rolle. Die Be-
haglichkeit der Umgebung ist da kein erwünschter
Überfluß, sie ist in noch ernsterem Sinne als bei
andern Arbeitsplätzen eine konkrete Vorbedingung
des Gelingens. Behaglichkeit heißt da freilich keines-
wegs Üppigkeit; die wird geistige Produktion eher
lähmen als fördern. Aber freundliches Einstimmen
der Umwelt in das geistige Tun, hilfreiche Geräte,
Bücher in Greifnähe, ein Raumbild, das dem Auge
Distanz und Ruhe zu schmecken gibt, vor allem auch
den einzigartig erholenden Blick nach draußen - das
sind wertvolle Elemente des Arbeitsraumes, in dem
der Geist den von ihm verwalteten Werten und Zielen
nachhängen soll. Aus Freude entsteht jedes echte gei-
stige Tun; die Freude, die der Arbeitsraum spendet,
ist das sinnliche Abbild der höheren Freude und
Liebe, die dem geistigen Schaffen zugrunde liegt. Man
sieht sie, still und gebärdenlos, sich darstellen in alter
Malerei, etwa in Dürers »Hieronymus im Gehäus«
oder in Cranachs Bildnis des Kardinals Albrecht von
Brandenburg am Schreibtisch. Deutsche Innigkeit hat

sich da liebevoll ins Wesen des schönen Arbeitsrau-
mes versenkt, hat die Geborgenheit, die dichte warme
Binnenwelt geschildert mit ihrem freundlichen Bei-
einander der Geräte, zwischen denen das Sinnen still
seine Wege gehen kann, und auch das segnende Licht
von draußen ist nicht vergessen.

Die Freude am Arbeitszimmer ist ein Ausschnitt aus
der Heimfreude, mit der die gepflegte Wohnung, sei
sie im übrigen noch so bescheiden, unser Leben täg-
lich nährt und erfrischt. Sie webt sich aus vielen zar-
ten, kleinen Reizen zusammen, sie gehört im ganzen
ohne Zweifel zu den sogenannten »kleinen Freuden«,
von denen man vielleicht eines Tages sagen wird, daß
sie zum Leben ebenso unentbehrlich sind wie die
großen. Sie haben die wunderbare Eigenschaft, daß sie
uns treu bleiben, wenn vieles von den »großen« Freu-
den geschwunden ist. Sie sind so unverwüstlich, daß
sie den Gedanken nahe legen, ob sie nicht mit dem
gesunden Leben überhaupt identisch sind; und das
könnte der Hintergrund sein, vor den ein Hölderlin
das ergreifende Wort gestellt hat: Zu wissen wenig,
aber der Freude viel / Ist Sterblichen gegeben. - w. M.
 
Annotationen