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Hummer 2.

Internationale Sammler-Zeitung.

Seite 21.


tüie meine Sammlung entstand.
Von Dr. Josef freiherrn non Helfert,
Geheimer Rat, JTlitglied des Herrenhauses etc. Wien.

Von 1847 auf 1848 nersah ich die Behrkanzel des
römischen und Kirchen-Rechtes an der Jagellonischen Llni-
oersität zu Krakau. Hm 17. Hlärz 1848 begann daselbst
die politische Bewegung, welche zwei im Stadium der
Preßfreiheit begründete neue Zeitungen, Jutrzenka (Hlorgen-
röte, Hlorgenstern) und Dziennik Harodowy (Hational-
Tagblafti mit ihren Hufzeichnungen und Beitartikeln be-
gleiteten; mit der Besiegung des Aufstandes gingen sie
beide vorläufig ein, jene am 27., diese am 28. April.
Diese ersten Hummern der beiden Zeitungen (die später
in neuer folge ihr Erscheinen fortseßfen) und außerdem
die einzelweise erschienenen Kundmachungen und Aufrufe
teils polnisch allein, teils (nach dem Aufstand) polnisch-
deutsch, die ich an Ort und Stelle erworben und sorgfältig
beisammen gehalten die Gazeta Krakowska 1848, die
ich vollständig besiße, ist erst später hinzugekommen —,
dazu die ersten in der Erfindung ebenso rohen und
gemeinen wie in der Ausführung und dem Abdrucke
schoflen Prager Spottbilder auf IHetternich, Bürgermeister
IHüller etc., die man mir aus meiner Vaterstadt zusandte,
bildeten die bescheidenen Anfänge meiner Sammlung.
Streng genommen war sie eine solche nicht zu nennen,
weil ich mir, ebenso wie im Wiener und Kremsierer kon-
stituierenden Reichstage, mehr als Hlarksteine meines
eigenen Bebensganges eben nur das aufbehielt, was mit
mir in unmittelbare Berührung kam, womit ich zu tun
hatte oder was mir zufällig in die Hände geriet. Von den
zahllosen Wiener Zeitungen aus der tollen Zeit suchte ich
mir Proben zu erwerben, von jedem Journale eine beliebige
Hummer.
Als ich im Hlärz 1849 bleibend nach Wien kam,
machte ich hier die Bekanntschaft des damaligen Rechnungs-
Revidenten beim Wiener Hlagistrate Beopold Kastner,
der sich während der Revolution mit großer Umsicht und
einer fast allgegenwärtigen Beweglichkeit mit den meisten
Druckereien, Kunst- und Hlusikalien-Handlungen Wiens in
unmittelbare Verbindung geseßt und auf diesem Wege eine
ungemein reichhaltige Sammlung non Flugblättern, Zeitungen
Broschüren, Gassenliedern, Straßenbildern etc. zusammen-
gebracht hatte. Da erwachte mein Hachahmungstrieb und
ich begann nun eifrig zu erwerben und zusammenzutragen,
wobei mir Kastner Jahre lang mit dankenswerter Bereit-
willigkeit ratend und helfend zur Seite stand. Als Kastner
später damit umging, seine Sammlung im Ganzen zu ver-
kaufen, kamen wir überein, daß er mir zuvor alles, was
mir noch fehlte, zu einem für das Stück aereinbarten
Einheitspreise ablassen wolle, und es war ein ganz nettes
Sümmchen, das ich ihm, nachdem die Durchsicht nollendef
und die Rechnung zusammengestellf war, dankend auf
den Tisch legte. Er hat in der Tat bald darnach seine
jeßt gegen die meinige um vieles geringhältigere Sammlung,
wenn ich nicht irre, um die Hlitte der fünfziger Jahre an
einen ungarischen Prälaten, um einen für die damalige
Zeit ziemlich hohen Preis an lllann gebracht.
Die größte sich der Vollständigkeit am meisten
nähernde Sammlung besaß nunmehr ich. Außer den ur-
sprünglichen Krako-Pragensibus waren es ausschließend
Viennensia, und auch hier überwiegend Drucksachen,

einige Bilder non der gemeinsten Sorte, also gleichfalls
zur Gassen-Biteratur gehörig, und wenige ITlusikalien.
Einen reicheren Schaß von 1848 in Wien herausgegebenen
Tonstücken (Tänzen, lllärschen, Biedern) habe ich, wieder
mit Kastners Beihilfe, unmittelbar non den betreffenden
Kunsthandlungen erworben, dazu eine reiche Sammlung
der zur selben Zeit gangbaren Volkslieder und Gelegen-
heitsgesänge, sogenannte Gassenhauer. Von IHünz-
stücken waren die ersten die auf den Thronwechsel in
Olmüß geschlagene Denkmünze und die Hoersseite einer
Denkmünze der Wiener Revolution von Karl Radnitzky;
die Reversseite, welche die Zinnen einer belagerten Stadt
vorstellen sollte, hat er nie ausgeführt; das interessante,
kunstvoll gedachte und ausgeführte Stück ist unvollendet
geblieben und Unikum.
Aus diesen verschiedenen, teilweise sehr bescheidenen
Anfängen hat sich nun im Baute von nahezu einundsechzig
Jahren eine umfassende Sammlung herausgebildet, mit
der sich nicht bloß ihrer Reichhaltigkeit wegen, sondern
auch darum keine andere in Vergleich seßen kann, weil
diese sich in der Regel nur auf eine einzelne Richtung
der vielgestalteten Bewegung beziehen, z. B. nur Druck-
sachen, und auch hier nur Viennensia, oder wie die des
verstorbenen Dr. Wilhelm Schlesinger d. Ä. nur auf
Hlünzen und Papierwertzeichen.
Von einem italienischen Gelehrten wird erzählt, daß
er auf die frage eines fachgenossen, welchem er seine
Schöße sehen lassen, wie er doch zu einer so staunens-
werten Vereinigung seltener Stücke gekommen sei, geant-
wortet habe: „Ich habe sie gefunden, ich habe sie ge-
kauft oder eingetauscht, ich habe sie geschenkt erhalten,
ich habe sie — gestohlen“. Von diesem leßtern moclns
aequircmli weiß ich mich so vollkommen frei, daß ich,
wenn mir Partien zu käuflicher Auswahl in die Hände
kommen, ohne Gestattung des Eigentümers, fallweise Darauf-
zahlung, es jederzeit für unerlaubt gehalten habe, in
meinem Besiß befindliche Stücke gegen mir angebotene
bessere auszuwechseln.
Was die ersteren drei Erwerbstitel betrifft, so wären
davon allerlei Geschichten zu erzählen. Jeder Sammler
wird die Erfahrung gemacht haben, daß er oft minder-
wertige Stücke, bloß weil er, und das mit Recht, zu be-
sorgen hat, daß sie ihm ein zweitesmal nicht zugebracht
werden könnten, ziemlich schwer bezahlen muß, während
ihm manche der wertvollsten durch einen Glücksfall ohne
Geld und lllühe oder um den Spottpreis ins Garn gelaufen
kommen. Eines Abends im Gasthause um die Hlitte der
fünfziger Jahre sprach Senats-Präsident Alois Pederzanr
oon seinen Hlailänder Plakaten — er hatte zuleßt als
Hofrat beim Veroneser Senate gedient —, mit denen er
nicht wisse, was er anfangen solle; natürlich meldete ich
mich vom fleck weg, und am andern Tage hatte ich den
vollen Pack unberührter Abdrücke aller Proklamationen
der lombardischen provisorischen Regierung in meinem
Besiß.
Ein Glücksfall anderer Art war folgender : Seif langer
Zeit war ich auf antiquarischem Wege in den Besiß eines
Teiles, sagen wir der Hälfte, von Keils „Beuchfturm“
 
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