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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

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Nummer 10 (15. Juni)
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Seife 146.

internationale Sammler-Zeitung.

Hummer 10.

— nerzeihen Sie das Bild — um einige Blüten flattern und
nur sooiel Honig nippen, als gerade ausreicht, um der
Geschichte auf den Geschmack zu kommen.
Ich konstatiere also, dafj alles da ist, die ruertoollen
Instrumente, die kostbaren Bücher, die noch kostbareren
Hlanuskripte. Dlich zieht’s zu den JTlanuskripten. Wenn
man sein lebelang selber schreibt, kriegt man schließlich
eine Schwäche fürs Geschriebene, fassen Sie sich erzählen.
Gehen Sie, da ist ein Blatt, so zwischen zwei Glastafeln
gerahmt, daß nach erfolgter Drehung auch die Rückseite
sichtbar wird. Die Vorderseite — es gehen einen ehr-
fürchtige Schauer an - weist Beethouens eigenhändige
Hiederschrift des Eiedes „Ich liebe Dich, so wie Du mich“
auf. Das Lied ist auf dieser Seite nicht zu Ende gebracht,
aber — die Originalhandschrift Beethouens, es ist immer-
hin schon etwas und wert der pietätoollen Betrachtung.
Damit ist das Interesse an dem Blatt jedoch noch nicht
erschöpft. Es weist noch oon der Hand franz Schuberts
geschrieben den Vermerk auf: „Des unsterblichen Beethouens
Handschrift. Erhalten den 14. August 1817.“ — Huf der
Rückseite findet sich oon franz Schubert geschrieben der
Anfang eines seiner Klauierstücke. Also auf einem Blatte
Bereinigt die Handschriften oon Beethooen und Schubert!
Die Geschichte ist noch nicht aus. Johannes Brahms
war so glücklich, in den Besiß dieses Blattes zu geraten,
und auch er signierte es: „Johannes Brahms im April
1872.“ Also nicht nur Beethooen und Schubert, sondern
auch noch Brahms! — Die Geschichte ist noch immer nicht
aus. Brahms schenkte das merkwürdige Blatt dem ITluseum.
So gegen zwanzig Jahre später sißt Brahms nach alter
Gewohnheit wieder einmal in seinem Stammwirtshaus
„Zum roten Igel“ am Wildpretmarkt, Da gesellt sich ein
fremdling zu ihm und weist ihm ein Datenblatt uor. Gr
wisse, daß der Herr der berühmte Brahms sei, der sich
für musikalische Reliquien interessiere. Gr selbst wisse
nicht, ab an dem Blatte etwas dran sei, aber es könnte
doch sein, und für diesen fall biete er es zum Kauf an.
Alan denke sich das Entzücken Brahms’. Das Blatt wies
auf der einen Seite fortseßung und Schluß des Beethooen-
schen Eiedes und auf der andern fortseßung des Schubert-
schen Klaoierstückes auf, und alles in der Originalhand-
schrift. Einige Datenzeilen, die noch freigeblieben waren,
hatte irgendein sorglicher Vater oder ein Dlusiklehrer benußt,
um wahrscheinlich einem Kinde das Wesen der Daten
schriftlich zu erklären. Papier mag in der Biedermeierzeit
ein seltenerer Artikel gewesen sein als heute und wurde
darum auch bedachtsamer ausgenüßt. Brahms erwarb das
Blatt und schenkte es — es war im Jahre 1893 — eben-
falls dem ITluseum.
In einem Glaskasten sehe ich drei kleine Bruchstücke
eines Datenblattes. Eigentlich sind es Schnittstücke, denn
sie sind mit der Schere oon einem ganzen Blatt abgechnitten
worden. Was ist das? Es ist der lllühe wert, der Sache
nachzugehen. Denn die kleinen Stücke lassen erkennen,
daß sie zu einer Hiederschrift des Eiedes „Der Tod und
das lllädchen“ oon franz Schubert gehörten. Und es war
die Originalniederschrift oan der Hand franz Schuberts!
Gin Stückchen weist die unoerkennbare echte Unterschrift
des großen Tondichters auf, und auch was die Dotenschrift
betrifft, kann für forscher, welche die musikalische Hand-
schrift Schuberts kennen, ein Zweifel an der Echtheit nicht
aufkommen. Das ist eigenhändig oon franz Schubert
geschrieben.
Eine seltsame Geschichte das mit diesen Papierstückchen.
Gin Bruder oon franz Schubert, allerdings aus der zweiten
Ehe seines Vaters, also ein Stiefbruder, war Geistlicher

geworden. Ich habe ihn noch persönlich gekannt, den
guten Pater Herrmann. Gr war Kapifulae zu den Schotten
und erteilte im Gymnasium des Schottenstiftes Religions-
unterricht. Gr ist erst oor wenigen Jahren gestoroen. Jch
hatte ihm einmal eine kleine Bleistiftzeichnung oon Dl. oon
Schwind geschenkt. Das lag nahe — ihm, dem Bruder
franz Schuberts! Ich hätte es aber nicht getan, wenn ich
damals schon die Geschichte jener Papierstückchen gekannt
hätte. Dian höre nur: Pater Herrmann war im Besiße
der Originalhandschrift des wunderoollen Eiedes „Der Tod
und das JTlädchen", und er führte sie einer ganz sonder-
baren Verwendung zu. Alljährlich wenn ein Abiturient
besonders schön maturiert hatte, schnitt er ein Stückchen
oon der kostbaren Handschrift herunter und zeichnete damit
den glücklichen Prüfungskandidaten aus! Im Eaufe der
Jahre waren bisher drei der also Ausgezeichneten, die
natürlich ooneinander nichts wußten, so oerständig, ihre
Reliquien dem EDuseum zu überbringen. Die übrigen sind
noch ausständig, aber ein Dluseum hat Geduld. Vielleicht
fügt es doch noch ein freundliches Geschick, daß sich alle
Stückchen wieder zu einem, dann nur um so kostbareren
Ganzen zusammenfinden.
Es braucht kaum noch besonders heroorgehoben zu
werden, daß Schubert auch sonst noch außerordentlich
reich im EDuseum oertreten ist und selbstoerständlich auch
Beethooen. Auf zu oiel Einzelheiten kann ich außer den schon
angedeuteten Gründen auch schon aus Raumrücksichten
nicht eingehen. Immerhin sei noch das gedruckt oor-
liegende Programm des ersten und einzigen Konzertes,
das franz Schubert gegeben, ermähnt und oon Beethooen
das Dlanuskript zu seiner Symphonie: „Eroica intitulata
Bonaparte.“ Das Titelblatt weist Spuren einer grimmigen
Wut Beethouens auf. Die Worte „intitulata Bonaparte.“
sind mit einer so heftigen Eeidenschaftlichkeit durchstrichen,
daß es dort ein Eoch geseßt hat. Die Erklärung liefert ein
Vermerk unter dem Unglück: „August 1804.“ Beethooen
hatte eben erfahren — es ging damals nicht besonders
schnell mit den großen politischen Dachrichten — daß
Dapoleon, sein großer freiheitsheld, sich habe zum Kaiser
ausrufen lassen. Daher der Ingrimm. Unschäßbar wert-
ooll ist noch Beethouens musikalisches Skizzenbuch, das
er immer bei sich trug und in welches er die musikalischen
Gedanken füchtig einzutragen pflegte, die ihm unter dem
Spazierengehen zuflogen, weiter das Skizzenbuch zur dritten
Bearbeitung des fidelio oom Jahre 1814, die Skizze zur
berühmten „neunten“, und endlich auch die Skizze zu
einer Komposition des Erlkönigs. Dian denke nur,
welche fundgrube für einen, der wirklich etwas oersteht!
Dian kommt aus der Andacht gar nicht heraus.
Wenn wir so die Reliquien betrachten, erheben sich oor
uns ehrfurchtgebietend die Geister oon Bach und Händel,
und förmlich lebendig wird der große Dlozart, lebendig
und uns menschlich nahe gerückt. Da liegt oon ihm auf
mehr als hundert Seiten bis zum Schlußpunkt eigenhändig
geschrieben die G moll-Symphonie. Das Dlanuskript ist
im Jahre 1788 entstanden in dem Hause auf der Währinger-
sfraße, auf dem der heutigen Generation eine Gedenktafel
oon Dlozarts Aufenthalt erzählt. Da liegt auch eine
Komposition, oon Dlozarts eigener Hand wie folgt über-
schrieben: „Tänze. Von Wolfgang Amade Dlozart. Den
27. Jullii 1786. Unterm Kegelscheiben.“
Eassen Sie mich zum Schluß wiederholen, daß ich
mit den oorstehenden Zeilen nicht die Absicht hatte, eine
eingehende Beschreibung des Dluseums zu bieten. Es sollte
nur oersucht werden, Interesse zu wecken für eine Samm-
lung, die mir des Interesses würdig scheint.
 
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