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Seife 196.

Internationale Sammler-Zeitung,

Hummer 13.

nur in den Rügen ihres Eigentümers erhalten und fingen
an, lebendig auf mich einzuwirken, weit stärker oft, als
das lebendige Wesen selbst.
Durch den Spieltrieb ist der Sammeltrieb mit der
Kunst oerwandt, durch den Eifer des forschens mit der
Wissenschaft, wie anderseits das Sammeln den Reinlich-
keits- und Ordnungssinn des JTlenschen weckt und stärkt,
die jedem armen Schlucker angeborene Sehnsucht nach
Besiß und macht befriedigt und durch Kauf und Tausch
auch seine praktische und ökonomische Bedeutung dartut.
Unter besseren äußeren Umständen führe ich das
eben Bemerkte Dielleich noch einmal weiter aus und belege
es mit Beispielen.
Alfred Cichfiuark,
Direktor der Kunsthalle, Hamburg.
Sammeln non Erzeugnissen der Uatur und der JTlenschen-
hand dient nicht nur der Befriedigung eines mehr oder weniger
stark in jeder Seele oorhandenen Triebes, dem zunächst
der Gegenstand gleichgültig ist; auch nicht etwa nur der
Ausfüllung müßiger Stunden oder der Ausspannung nach
anstrengender Berufsarbeit. Es gehört zu den unerläßlichen
Vorbedingungen der höchsten Bildung; denn es weckt und
entwickelt Kräfte der Seele und des Geistes, die sonst ruhen,
es gewährt fühlung mit dem geheimnisuollen Wesen der
Wissenschaft und der Kunst, und Einblick in ihre Werkstatt,
es öffnet einen Weg zu den Dingen und in die Dinge hinein,
und es erfüllt mit einem ruhigen, alles durchdringenden
und erwärmenden Glücksgefühl, das sonst nur der forscher
oder der Künstler kennt. Gerade deshalb nermag es zur
Ergänzung unserer heutigen, auf das Wort und das Wissen
gegründeten Bildung wesentlich mitzuwirken.
Die Erfahrung lehrt, daß, wer auf irgend einem Ge-
biete ernstlich zu sammeln angefangen hat, eine Wandlung
in seiner Seele anheben spürt, die ihn zu einem freudigeren,
non lebendigerer Teilnahme, non offenerem Verständnis
für die Erscheinungen des Bebens bewegten manschen macht.
Über sich selbst hinauswirkend hat sich der Sammler als
der unentbehrliche Untergrund alles künstlerischen Schaffens
bewiesen. Als Anregungszentrum seines febenskreises hilft
er die Kraft des Künstlers, die sich in tausend Kultur- und
Wirtschaftswerte umseßt, auf das ganze Volk überleiten.
Dr. Julius uon üudassy (Wien).
Das fernen ist ein methodisches Sammeln — das
Sammeln ein methodisches fernen. Wer sein Gedächtnis
bereichern, seinen Geist bilden will, der muß seine Kennt-
nisse ordnen, seine Vorstellungen in ein System bringen.
Durch nichts aber werden die Bilder, die unser Bewußtsein
aufbewahrt, frischer und lebendiger erhalten, als durch die
unmittelbare Anschauung. Die unmittelbare Anschauung
aber seßt ihre Objekte woraus, ist ohne ihre Gegenstände
nicht denkbar. Darum wird insbesondere der flaturfreund,
je inniger er sich an die Umwelt anschließt, um so unab-
weislicher zum Sammler. Der Arzt sammelt Krankheits-
fälle, der Altertumsforscher die Reste der Vergangenheit,
der Kunstverständige Bilder und Stiche. Der eine sammelt
Blumen und Kräuter, der andere Käfer und Schmetterlinge.
Und Jeder, der ein Buch verfassen will, sammelt das
material dazu. So kommt es denn, daß nur wenige
Ulenschen nichts sammeln. Vielen füllt es das feben aus.
Unter ihnen habe ich manchen gekannt, der mit leiden-
schaftlicher Liebe an dem kleinen JTluseum hing, das sein
eigen war. Wem das Schicksal übel mitgespielt hat, der
wird wohl auch geneigt sein, zu sammeln, um Ruhe und
Selbstuergessenheit zu gewinnen. JTlag er nun seltene
Handschriften und Roten, oder nur flleerschaumkäpfe
sammeln — seine Beschäftigung wird ihm zur süßen
Gewohnheit, oersöhnt ihn allmählich mit seinem foos und
beruhigt sein Gemüt. Ulan kann daher sagen, daß das

Sammeln das Einzige ist, das in sich gleichzeitig TRotio
und Quietio ist, das anregt und besänftigt. In dieser
doppelten Kraft liegt sein Wert für das Dasein beschlossen.
Hat jemand es erprobt, dann gelangt er allgemach zu der
höchsten form seiner Liebhaberei, indem er dies und jenes
sammelt, sammelt er sich selbst. Und dadurch genest er
non der größten Krankheit unserer Zeit und unseres Ge-
schlechtes — non der Zerstreuung, non der Zerfahrenheit
des Willens und Empfindens. So habe ich es erfahren —
so erfahre ich es noch . . .
Hofrat Dr. Daoid Heinrich Hlüller,
Professor und Vorstand des orientalischen Instituts an der Universität
Wien, wirkliches JTlitglied der k. Akademie der Wissenschaften etc.
Ich selbst habe keine Sammelliebhaberei, schäße aber
dennoch die Sammeltätigkeit sehr hoch. Der Sammeltrieb
ist aus dem Besißtrieb heruorgegangen und trägt noch
manche Kennzeichen des Ursprungs an sich, unterscheidet
sich aber oon jenem, je reiner er sich ausbildet, dadurch,
daß er nicht die freude an dem Rußen der Dinge, sondern
an der Vielheit der Dinge selbst hat. Der Sammeltrieb kann
sehr befruchtend wirken, indem man durch das Sammeln die
Dinge an sich und in ihrem Verhältnisse zu anderen ähnlichen
kennen lernt, so daß aus manchem spielerischen Sammeln
nicht nur reiche Kenntnisse erworben werden, sondern auch
wissenschaftliche Anregungen heroorgehen können.
Je intensivier und zielbewußter die Sammeltätigkeit
sich gestaltet, desto mehr oerliert sie ihren spielerischen
Charakter und mündet entweder in wissenschaftliche Be-
obachtungen aus oder sie sucht Rußen aus der Sammlung
zu ziehen und kehrt so in den Besißtrieb zurück, non
dem sie ihren Ursprung genommen hat.
Eduard Pößl (Wien).
In Beantwortung Ihrer freundlichen Zuschrift beehre
ich mich, Ihnen für Ihr sehr uerdienstoolles Unternehmen
„Die Sammler-Zeitung“ mitzuteilen, daß meines Erachtens
der Sammeltrieb, wenn er nicht zur Hexerei ausartet, fast
immer unter die nüßlichen Betätigungen der Rlenschen
gerechnet werden muß.
Selbstoerständlich ist damit nicht das Sammeln oon
Gegenständen ohne System und Ziel gemeint, wie zum
Beispiel seinerzeit das Sammeln oon Zigarrenspißen, wofür
sich dann, als endlich oon den Säcken gesammelter Spißen
Gebrauch gemacht werden sollte, kein Abnehmer fand. Das
Sammeln, welches wir meinen, bezieht sich ja immer auf
irgend welche Gegenstände der Kunst, des Gewerbefleißes
oder auf Raturprodukte, die in das Veld der Wissenschaft
einschlagen. Alle diese Bestrebungen haben mindestens
den ernsten Hintergrund, daß sich der Sammler nach irgend
einer Richtung hin mit einer Disziplin oollständig oertraut
zu machen sucht und, seien seine lllittel noch so bescheiden,
oft durch Zufall ein wertoolles Stück erhascht, das sogar
für die Allgemeinheit oon Wert sein kann. Zumindest
aber füllt der Sammeleifer so manche leere Stunde des
Bebens aus, die sonst lediglich totgeschlagen wäre.
Was mich selber betrifft, so sammle ich, so weit
meine JTlittel reichen, alte Ribbel, insbesondere aus der
Biedermeierzeit, und zwar der Wiener Biedermeierzeit.
Dies geschieht seit mehr als dreißig Jahren, so daß ich
endlich in der tage war, fast meine ganze Wohnung mit
Gebrauchsmöbeln aus jener Zeit auszufüllen, innerhalb
deren ich mich wahrhaftig wohler fühle, als einst inner-
halb der schlechten ITlöbel aus den Siebzigerjahren oder
gar der scheußlichen Gebilde der ersten Sezessionszeit.
Hermione oon Preuschen-Celmann,
Schriftstellerin und ITlalerin (fichfenrode-Berlin).
Gerade oon einer dreioierteljährigen Reise in die Welt,
diesmal besonders Sumatra, Jana, Siam, China und Japan —
 
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