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Seite 198.

Internationale Sammler-Zeitung.

Rümmer 13.


Die erste moderne Galerie Österreichs.

lange, beoor sich in Wien die ersten Ansäße zur moderne
zeigten, hatte die benachbarte Thermenstadt Baden schon eine
moderne Galerie, die allerdings nur oon kurzem Bestände mar.
Die Kenntnis dieser interessanten Tatsache oermiftelt uns Paul
Taussig, der in einem kürzlich bei Gerold in Wien erschienenen,
sehr anregenden Büchlein („Die erste moderne Galerie Österreichs
in Baden bei Wien 1811. Im Anhänge: Heudruck des dazugehörigen
Gemäldekataloges“) die Geschichte dieser Galerie erzählt.
Die alte Quellenstadt und Sommerfrische Baden im Wiener-
wald, so berichtet Taussig, kann sich rühmen, eigentlich zu keiner
Zeit das Stiefkind der nahen Kaiserresidenz an der Donau gewesen
zu sein. 1m Gegenteil! Schon was das gesellige, literarische und
kunstliebende Alt-Wien des Winters über mit seinen schützenden
Zick-Zack mauern umfing, das gab es beim ersten Eerchensange
frei und dann mar des Ausfliegens und der Spritzfahrten nach
meidling und Klosterneuburg im Horden, nach den lieblichen, im
Westen gelegenen Dörfern und Weilern und natürlich in die südliche
Brühl, bis hinaus nach Baden kein Ende. Der Hof gab den Ton
an und damit war auch dem fidel und den Bürgerlichen gewisser-
maßen Dorgeschrieben, wo man sich den Sommer über etwa
dioertieren und amüsieren müsse. Die francisceische Zeit war ja
um die Jahre oor und nach dem Wiener Kongreß durch ihre hellsten
Sterne oom Eenz bis zum Herbst in Baden uerfrefen. man denke
nur an Beethooen und seine Freunde, oon denen ihn ein Weber
einstmals liebeooll aufsuchte, und man denke an das fröhliche
Wanderoölkchen der Schauspieler oom Burg-, Wiedener und
Eeopoldstädter Theater, die auf der Bühne zu Baden ihre Winter-
habitues auch zur heißen Zeit ins Schauspielhaus lockten, man
war mit dem goldenen Herzen splendid, wenn’s für die firmen
gehörte; nicht weniger als zehntausend Gulden klimperten in der
Kasse, als man 1811 mit berühmten Künstlern in Baden zu wohl-
tätigem Zwecke die Oper „Trajan in Dazien“ aufführte.
Das Rollett-lTluseum mit seinen zoologisch-botanischen und
ethnographisch-kunsthistorischen Sammlungen bestand im Jahre
1811 schon ein halbes Dezennium und galt als eine Sehenswürdigkeit
Badens, die keiner zu oersäumen trachtete, der Bäder oder Hatur
besuchte. Gin zweites kleines JTluseum meldet uns die Geschichte
aus dem Jahre 1816. Heute ist’s längst oergessen. Das gesprochene
Wort und auch einige mit tiefem Ernst geschriebene Artikel propa-
gierten schon seit längerem den Plan, der auf Kosten der an-
gestammten Galerien und „klassischen“ Ausstellungen in Akademien
zurückgeseßten „moderne“ zu ihrem Recht zu uerhelfen und der
„moderne“ offiziell Plaß zu schaffen.
„Hoch nie ist so uiel über Kunst geschrieben worden“ —
mit dieser in jeder Epoche nur allzu wahren Behauptung beginnt
eine Artikelserie, welche die „Vaferländichen Blätter“ in ihren
Hummern 6, 7 und 9 des Jahres 1811 anonym „Von einem
Künstler“ ueröffentlichten. Dieser Künstler war der Eandschaffsmaler
fllbert Christoph Dies, ein mann, der in warmen Postulaten für
sich und seine Brüder oon der Palette freudig den Gänsekiel in
Bewegung seßte. In diesen „Hingeworfenen Bemerkungen über die
Kunst und deren Hotwendigkeit in Hinsicht auf das Finanzwesen“
entwickelt er seinen Vorschlag zur Gründung eines „ITluseums
heutiger Kunst in den österreichischen Staaten“, beklagt er das
Elend der zeitgenössischen bildenden Künstler, denen auf die Beine
zu helfen nur durch temporäre Ausstellung ihrer Werke möglich ist.
Dies erwähnt in seiner interessanten Abhandlung als
leuchtendes Vorbild einen Grafen oon Uiberacker, der „uor neun
bis zehn Jahren“ in Wien uersforben sei. Dieser Kunstfreund
habe bloß die Werke lebender Künstler gesammelt und damit ein

kleines Kabinett gefüllt, ein Beispiel, mit dem er in seiner Art
einzig dagestanden. Warum also diesen Gedanken nicht ausreifen
lassen? mit einer staatlichen Suboention uon 10.000 Gulden könnte
ein derartiges ITläcenatentum der Regierung greifbare Formen
annehmen. Phantastisch hoch waren also die Ansprüche auch
damals nicht. Es fand sich ein JTlann, der die Idee des Dies sofort
in die Tat umseßte und im Jahre 1811 das „Erste öterreichische
niuseum oaterländischer Kunst“ in Baden begründete. Das war
Andreas BHagnus Hunglinger, Eehrer des Zeichnens und dermalere!
am Wiener Theresianum und an der Orientalischen Akademie. Er
wagte sein eigenes Geld an das schöne Unternehmen. Die uon ihm
ins Beben gerufene „moderne Galerie“ wies 80 Gemälde und
Stiche uon 42 Künstlern auf Hunglinger selbst war reichlich oer-
trefen. Zehn oerlockende Portefeuilles, die ganz so wie heutzutage
„mahlerisch“ gruppiert auf Tisch und Stuhl lagen, harrten außerdem
des enthusiastischen Stöberers oder gar Käufers.
Einige der ITlaler, die sich den Badenern in dem BHiniatur-
museum präsentierten, waren ihnen alte Freunde oon früher her.
meister Paul Troger kannten sie oon seinem 1750 für ihre Pfarr-
kirche gemalten Altarbilde, der „Steinigung des heiligen Stephan“;
der ältere Eampi kam schon mehrere Jahre hindurch zur Kur nach
Baden und man kennt ja heute noch in Baden allgemein unter
anderem das ausgezeichnete Porträt des Arztes Anfon Franz Rolleff
oon diesem berühmten Künstler, der es im Jahre 1824 oollendete;
Ignaz Duoioier, der Radierer, hatte der pittoresken und anmutigen
Gegend nächst Baden Blatt um Blatt gewidmet. Und Albert Christ.
Dies endlich, er weilte schon im Jahre 1808 als Kurgast in Badens
mauern. Über die Ausstellung selbst sprechen sich zeitgenössische
Blätter fast gar nicht aus. Die amtliche „Wiener Zeitung“ zum
Beispiel, die dazumal bekanntlich noch als „Wiener Diarium“ er-
schien, bringt wohl in ihrem Anzeigenteile eine kunterbunte Zu-
sammenwürfelung oon Badener Hotizen, schweigt aber gründlich
über Gemälde und Stiche. Auch der „Sammler“ und das „THorgen-
blaft“ wird man oergeblich nach dieser Richtung hin durchblättern
Beider fand Hunglinger mit seinem Unternehmen keine
materielle Unterstüßung und sah sich genötigt, sein ITluseum nach
halbjähriger Dauer zu schließen. Diese Badener Sehenswürdigkeit
war also gerade gut genug, um den Fremden einer einzigen Saison
bei Regenwetter die schlechte Eaune zu oertreiben, denn nach dem
Hooember 1811 sollten sich die Pforten dieses Kunsttempelchens
nicht mehr öffnen. Damit war das ephemere Dasein des ersten
österreichischen BAuseums für oaferldndische Kunst zu Ende.
Recht heiter liest sich der Katalog dieser Galerie. Hier einige
Beispiele:
Der heilige Franziskus Xaoer in Indien — stirbt unter dem
größten Eeidwesen seiner Bekehrten — eine Skizze oon C. Sambach.
Protogenes, nur durch das Eindringen der feindlichen Krieger
in seine Werkstatt in seinem Fleiße gestört . . . oon A. Hunglinger.
Tarquin und Eukretia in einem entscheidenden Zweikampf . . .
oon Hl. J. Schmidt.
Eeanders Tod und der Hero Schrecken . . . oon A. BH-
Hunglinger.
• Josef mit dem heiligen Kinde Jesu ooll himmlischer Selig-
keit . . . oon P. Troger.
Ein Geflügelstück oon alten und jungen Enten oon F.
Grafenstein.
Ulysses erwürgt Trojas Beherrschers leßte Sprosse oon BH.
J. Schmidt.
Eine tugendhafte Spartanerin zeigt einer edlen Jonierin, die
mit Geschmeiden prahlt, ihre Kinder als ihren schönsten Schmuck
oon C. Ruß.
 
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