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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

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Nummer 14 (15. August)
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Internationale

«Sanimler^eifung
Zentralblaff für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Harbert Ehrlich und J. Hans Prosl.
1. Jahrgang. Wien, 15. August 1909. Hummer 14.

Der Wert öes Sammelns.

6ine Rundfrage.
(H.)

■ir seßen im nachstehenden die Rundfrage über
den Wert des Sammelns fort, mit deren Ver-
öffentlichung wir in der oorigen Hummer be-
gonnen haben, fluch diesmal gelangen Ge-
lehrte, wie Schriftsteller und Kiinster non fln-
sehen zu Worte, die zumeist selbst Lieb-
habereien betätigend, in fast schwärmerischer
Weise es aussprechen, welche hohe Befriedigung ihnen
das Sammeln gemährt.
Die Äußerungen lauten:
Justus ßrinckmann,
Direktor des ITluseums für Kunst und öemerbe in Hamburg.
für einen ITluseumsdirektor ist persönliche Sammler-
liebhaberei, nach der Sie mich befragen, ausgeschlossen.
Hofrat Dr. tilax Burckhard,
Direktor des Hofburgtheaters i P., Dozent an derllniuersität etc. (Wien),
Ich oerkenne nicht die große freude und die Dielfache
Belehrung und die Anregung, die Sammeln gewähren kann,
wenn es würdige Objekte betrifft und wenn das Sammeln
nicht um des Habens, sondern um des Benüßens willen
geschieht, wenn das Sammeln nur ein lllittel zum Lernen
ist. für jene Genußform, die im Besißen an sich liegt,
habe ich kein Verständnis.
Kory Towska,
Schriftstellerin (Wien).
Das Sammeln halte ich für eine gute Schule der
Ordnungsliebe, der Ordnungsfähigkeit bei Kindern, hn
späteren Leben ist es oft die leßte Zuflucht eines beschäf-
tigungsleeren Daseins. Zwischen beiden Epochen steht der
tätige und reife JTlensch, dessen Lebensroerk wohl unter
allen Umständen geeignet ist, irgend welche Sammler-
freuden nebenbei abzuwerfen, freuden, die für seine JTlit-
menschen und nachkommen nicht selten kulturelle Werfe
bedeuten können. Leider oerschleudern die meisten
ITlenschen unachtsam das reiche Strandgut eines ganzen
Lebens.
Ich selbst sammle Briefe und ITlanuskripte notabler
Persönlichkeiten, Briefsiegel und münzen. Außerdem be-

siße ich eine Sammlung non Kainz-Bildern und Karrikaturen
und Zeitungskritiken über diesen Künstler aus den leßten
fünfundzwanzig Jahren.
Hermann Hlenkes (Wien).
Ich müßte ein kleines Kapitel intimer Psychologie
schreiben, wenn ich Ihre frage erschöpfend beantworten
wollte. Es gibt einen Sammlersinn, der aus irgend einer
latenten künstlerischen Veranlagung fließt. Durch eine
Anordnung und ein Zusammenfassen aus dem Gebrauch
gekommener Dinge kann eine kleine entschwundene Welt
oder eine Epoche wieder zu einer Art Lebendigkeit gebracht
werden. Tote Gegenstände bekommen eine Sprache, er-
halten nergessene Beziehungen zu einer vergangenen oder
gegenwärtigen Zeit wieder, man muß diese Schöße nur
zu heben und an den richtigen Plaß zu seßen wissen.
Geschichte ist nicht nur in Wortberichten, man kann den
Sinn einer Zeit auch aus den unscheinbarsten Dingen
herauslesen, aus einer alten Visitkarte oder Todesanzeige
sowohl wie aus einem Helm, einer Zeichnung, einer Brief-
marke oder bloßer makulatur.
Es gehört Vergangenheitssinn und noch so oieles
andere zum zweckoollen Sammeln. Oft handelt es sich
nur darum, die eigene, fernliegende Jugend zu oerstehen.
Königin Viktoria non England bewahrte die Puppen aus
ihrer Kinderzeit wie einen Schaß. Wieoiel können diese
Gegenstände, mit denen die Phantasie eines Kindes eine
Welt auferbaut, oon seiner wunderoollen, erwachenden
Psyche erzählen, oon Keimen, die abgestorben oder sich
entwickelt haben, oon den Wonnen eines oerlorenen
Paradieses.
nichts, was aus irgend einem Bedürfnisse geschaffen
wurde, oerliert seinen Sinn gänzlich und keine Sache stirbt
damit, wenn sie ihrer unmittelbaren Außbarkeit entrückt
wurde. Zum Sammeln gehört eigene Persönlichkeit, Ge-
schmack, Phantasie und ein klein wenig Sentiment. Ein
Sammler ist der noch nicht, der die äußere fflöglichkeit
dazu hat und ohne Sinn- und Zweckbewußtsein Dinge
anhäuft. Sammeln muß einer unausgegebenen Liebe oder
Fähigkeit entspringen und man muß mit den Augen der
Seele sehen können. Eine alte ITlarke kann uns oon einem
entlegenen Land erzählen, oon seiner Kultur oder Rück-
ständigkeit; in einem Pokal kann die ganze Anmut einer
 
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