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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

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Nummer 16 (15. September)
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Seite 242.

internationale Sammler-Zeitung.

Hummer 16.

pflückten. Sie schaffen sich aus eigener Kraft einen Besiig,
der ihr eigenes lieben bereichert und mit dem sie auch
anderen JTlenschen freude und flufjen stiften können. Das
Sammeln, Pflegen, Pressen, Einordnen und .Rufspannen der
Pflanzen erfordert auch fleifj und Geduld und führt zu
einer ruertuollen Kennerschaft.
Ich möchte allgemein behaupten: Sammler sind
Rlenschen uon ruhiger und behaglicher Gemütsart. Ich
habe jedenfalls zu ihnen unwillkürlich ein stilles Vertrauen,
ebenso toie zu Vogelzüchtern und Gärtnern. Wer sammelt,
hat den Trieb zu erhalten, zu pflegen, zu ordnen. Ich
glaube nicht, dafj ein Wüstling, Sauf- oder Raufbold Sammler
sein könnte. Daher meine Überzeugung: „Wo man sammelt,
lafj' Dich ruhig nieder!“
Dr. Julius Krueg (Wien).
Gestatten Sie, dafj ich der frage, warum mir eigent-
lich sammeln, uon naturwissenschaftlicher Seite näher
trete, wobei ich allerdings ooraussetje, dafj heutzutage jeder
Gebildete, mehr weniger mit den entwicklungsgeschichtlichen
Theorien, die sich an den Hamen Darwin knüpfen, oer-
traut ist.
Rn die Spitje meiner Rusführungen will ich gleich
das Ergebnis setjen: „Wir sammeln, folgend einem ererbten
Triebe, geradeso wie wir körperlichem Sport nachgehen“,
alle anderen Erklärungen dafür sind sozusagen nur
Ausreden.
Stellen wir uns einmal unsere Alfoordern oor, bei-
läufig in der Zeit der JTlenschwerdung, also oiele Jahr-
tausende oor der historischen Zeit. Sie lebten in Horden
oon einigen familien zusammen, sowie noch heutzutage
manche Reste oon Raturnölkern und einige Arten uon —
-j-j-f Affen. Haturgemäfj blieben die Weiber mit den Kindern
im Eager, während die JTlänner ausschwärmten, um Brauch-
bares für den Unterhalt zu suchen, mancherlei Kleintier
mögen sie nachhause gebracht haben, früchfe und Körner,
fische und muscheln, aber auch besondere harte oder
glitjernde Steine aus den Gebirgsbächen. Zuhause wurde
dann gesichtet, die Hausfrauen behielten, was sie zur
Rührung, zum Schmucke, oder als Werkzeug oerwenden
konnten, oerachteten aber das übrige, das ihnen zwecklos
erschien und warfen es fort. Leicht können aus leicht-
sinnig weggeworfenen Grassamen die ersten felder ent-
standen sein, wie aus abgegangenen fruchtkernen die
ersten Gärten und aus heimgebrachten jungen Tieren die
ersten Haustiere.
Die Ethnographen haben endlich erkannt, dafj die
alte Einteilung der Uroölker in „Jäger“ und „Acker-
bauer“ nicht mehr stimmt und haben die „Sammler“
als die älteste form menschlicher Gemeinsamkeit prokla-
miert. Übrigens wird ja weit hinaus über die nächste
Verwandtschaft der ITlenschen oon den oerschiedensten
Tieren Sammeltrieb betätigt und auch da nicht immer um
der Rahrungsmittel willen allein, ich will nur an die all-
bekannten einheimischen Beispiele erinnern: Hamster,
Bienen, Elster.
Also der Sammeltrieb entwickelte sich oom Uranbe-
ginne der werdenden ITlenschen, war ihnen nütjlich, die
besonders damit begabten familien kamen deshalb besser
oorwärts und oererbten den Trieb ihren Rachkommen,
freilich ist nun der Zusammenhang längst oerwischt, nur
die Kinder bekunden in ihren Spielen die dunkle Erinnerung
an die alte Zeit. Unser Kulturleben hat so lange schon
andere Erwerbsformen eingeführt, dafj dafür der alte Trieb
off eher schädlich als nütjlich sich erweist. Es geht damit,
wie mit den Resten alter aufjer Gebrauch gekommener
Organe, beispielsweise dem oielberühmt gewordenen Wurm-

fortsatj, der bei den Ragetieren und selbst noch bei den
Halbaffen einen wohlausgebildeten, nütjlichen zweiten
Rlagen darstellt und bei den Kulturmenschen höchstens
mehr den Chirurgen nütjlich wird, die ihn herausschneiden.
Decken sich aber einmal Sammel- und Erwerbstrieb, dann
gibt es aber auch einen besonderen Aufschwung, wofür
die Entwicklung des Briefmarkenhandels ein lehrreiches
Beispiel liefert.
merkwürdig ist, dafj sich der Sammeltrieb aus der
Zeit seiner Entstehung her oorwiegend beim männlichen
Geschlechte erhalten hat; wenn frauen mittun, so geschieht
das geradeso wie beim Körpersport, gewöhnlich aus anderen
IRotioen; auch heute noch möchten die frauen die Samm-
lungen der IRänner, soweit sie ihnen nicht unmittelbar
nütjlich erscheinen, am liebsten wegwerfen, nur die Vorliebe
für die glitjernden Steine ist ihnen aus der Urzeit erhalten
geblieben.
Und nun noch einige Worte über den Wert des
Sammelns. Aus den in der Urzeit zusammengetragenen
Steinen entwickelten sich Werkzeuge und Waffen, dann
die Kenntnis der ITletalle und ihre Verwendbarkeit, oiel
später die Wissenschaften JTlineralogie und Chemie. Aus
den heimgebrachten Hölzern und fruchten, Bauwerk und
Hausrat, dann der Ackerbau als Grundlage aller Kultur,
in später Zeit die Wissenschaft der Botanik etc. Rebenbei
bemerkt, entstammen die heute noch am meisten beliebten
Konseroen der uralten Sammeltätigkeit, da eingetragene
Vorräte durch alkoholische, essig- oder milchsaure Gärung
scheinbar oerdarben und hinterdrein doch besonders schmack-
haft befunden wurden und fleischstücke, in der beständig
oom Herdrauche durchzogenen Hütte aufgehangen, nicht
faulten. Das Sammeln oerschiedener fremdartiger Tiere,
besonders das Konseroieren der Toten, hat sich wohl erst
mit der Anlegung oon Raritätenkabinetten entwickelt, aber
was ist daraus geworden: Zoologie und oergleichende
Anatomie usw. und damit die Erkenntnis uom Werdegange
aller Organismen mit Einschluß der IRenschen! Jn den
Raritätenkabinetten waren wohl auch die ersten Auf-
sammlungen oon alten IRünzen, Grabfunden, Steinen mit
Inschriften u. dgl. und wie wurde dadurch die prähistorische
und historische forschung gefördert. Was endlich sollten
wohl die sämtlichen Gelehrten jeglichen faches anfangen,
wenn oor ihnen nicht andere Eeute die Gedanken und
Befunde der Vorgänger in Bibliotheken aufgesammelt
hätten?
Das nur in wenigen, nur in den gröbsten Zügen über
den Rutjen der Sammeltätigkeit für die Allgemeinheit.
Der Einzelne folgt seinem dunklen Drange, ohne dafj er
deswegen an irgend einen Rutjen zu denken braucht. Was
er sammelt, das ergeben die Umstände, unter denen er
lebt, „sammelwürdig“ ist natürlich alles, was ihm
freude macht, mag es auch späterhin als kindischer Tand
wieder weggeworfen werden. Auswüchse gibt es selbst-
verständlich dabei gerade so wie auf jedem anderen
Gebiete.
Zweifachen erzieherischen Rutjen hat aber jede
Art des Sammelns. Es lehrt den Sammler die Objekte
seines Interesses genauer ansehen und aus ihrer Um-
gebung herausfinden und die Übung, die er dafür gewinnt,
ist nicht ganz oerloren für das übrige Eeben. Es lehrt
aber auch feine Unterschiede zwischen scheinbar gleich-
artigen Gegenständen erkennen, führt dadurch dazu, Ein-
teilungen und Kategorien zu machen, also zur ersten Stufe
genauerer Raturerkenntnis. Jn meiner Jugend wurde mir
in der Schule gesagt: „Alles was man in ein System
bringen kann, ist eine Wissenschaft.“ Darüber liefje sich
nun allerdings streiten, sicher richtig ist aber der oiel
ältere Satj: „Qui bene distinguit, bene docet“.
 
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