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Seite 258.

Internationale Sammler-Zeitung.

Hummer 17.

oor den Gefahren dieser bestehenden aber äußerlichen Art
der Kunstübung. Aber dem jungen JTlakart, der in seiner
Heimatstadt non Kindheit an das Auge und die Seele an
den berauschenden Akkorden der üppig-graziösen Barock-
kunst und einer herrlichen Gebirgslandschaft erzogen
hatte, ohne daß er — als Sohn eines Hausmeisters —
strengere Studien durchführen konnte, gab diese neue
Richtung zum Kolorismus schrankenlose Freiheit.
Gin Schüler Pilofys hat einmal geschildert, roie die
jungen Akademiker in dessen Schule ihre Werke konzi-
pierten. „Sie strichen mit breitem Pinsel die farbenreste
der gebrauchten Palette durcheinander und fuhren dann
mit einem Papier, aus dem ein Rechteck (das zukünftige
Bild) herausgeschnitten mar, so lange auf dem farben-
gemisch herum, bis sie eine Stelle fanden, roo dies eine
roirkungsnolle, gut zusammengehende farbenharmonie um-
rahmte. Und nun nersuchte man, in den schönen fleck
menschliche Gestalten hineinzuzeichnen und endlich einen
Sinn für diese zu finden, den Gedanken.“ Gurlitt, der
diesen Bericht eines Augenzeugen roiedergibt, fügt hinzu,
daß diese Auffassung immerhin künstlerischer mar, als
der alte Idealismus der oorhergehenden Generation. Als
das eigentliche Ziel roird der malerische fleck, die schmückende
Wirkung des Bildes betrachtet. „Piloty zeichnete nicht nur
roie Cornelius, er kolorierte nicht nur zeichnerisch gedachte
Kartons, roie Kaulbach, sondern er malte seine Helden,
d. h. seine in alte Prachtkostüme gesteckten modelte,
farbenfläche für farbenfläche, Ton für Ton so genau nach
der Hutur ab, roie er dies mit redlichem Bemühen den i
großen Alten in der ITlünchener Pinakothek und auf Reisen
abgelernt hatte. JTlakart trat auf den Plan der Kunst,
ohne auch nur oon den geringsten historischen und philo-
sophischen Ideen beschwert zu sein, dafür aber non einer
aufs höchste entwickelten künstlerischen Sinnlichkeit erfüllt.“
(friedlich Haack.)
Immerhin hat JTlakart intensioes Studium an Rubens
einerseits, an die uenezianischen Koloristen, Paolo Veronese
und Tiepolo anderseits gewendet. Und er roar, als er in
Wien eintraf, befähigt, ein Künstler ersten Ranges zu
werden, der über die Stilsucherei der oorhergehenden
Generation hinaus zur Erschließung des wunderbaren Reichs
der färbe die ITlenschheit führen konnte. In Wien fand
er zwar günstige Bedingungen für die künstlerische Tätig-
keit an sich; jeder ITlaler der Gegenwart in Wien wäre
froh, wenn er so oiele Auftraggeber, ITlodelle, Bewunderer,
förderer finden würde. Aber die Genußsucht der Gesell-
schaftskreise, die im Künstler zumeist einen maitre de
plaisir, einen Arrangeur non festen suchten, einen, der
ihre Orgien künstlerisch oerklärte, diese Treibhausafmo-
sphäre des damaligen Wien hat den Künstler oerzärfelt
und nerdorben. friedrich Uhl hat in einem Roman „farben-
rausch“ die orgiastische Stimmung jener Zeit geschildert.
Viel besser sind die Gesellschaftskreise seither nicht ge-
worden. Die Teufe haben nur heute weniger Geld, als in
der Gründerperiode, oiele müssen arbeiten, um nur leben
zu können. Aber diejenigen, welche leicht oerdienen oder
oiel übrig haben, kennen doch nur den Genuß, Praterfahrt
und Variete, frauen und „Schampus“, höchstens ist der
Sport dazu gekommen, das Interesse am Pferd, am Auto,
am Aeroplan. Da ist wenigstens eine Spur non geistiger
Arbeit, non Zuchfproblemen und technischen Experimenten
dabei, für die Kunst fällt aber oerdammt roenig ab.
manchem heutigen ITlaler mag es grün und blau oor den
Augen werden — oor Heid, wenn er liest, roie die hohen
Herren in den Ateliers der Eanon, Hlakart, Tilgner sich
gedrängt haben. Er würde Dielleicht ganz gern ein bißchen
mit den Wölfen heulen, wenn nur dabei ein Auftrag heraus-
sähe, an dem Ehre und Geld zu holen wäre.
Doch zurück zu JTlakarf. Wir kennen oon ihm Zeich-
nungen oon einer feinheit und Grazie, die mit Watteau

oder — um einen modernen zu nennen — mit Willette
oerglichen werden kann. Er hat also ganz gut zeichnen
können; und die oielgetadelten Verzeichnungen sind teils
durch seine Art zu arbeiten, bei der die farben-Kompo-
sition ooranging, teils durch flüchtigkeit zu erklären. Und
in der Beherrschung des Kostüms, der Renaissancetracht
etroa, roar er so roeit, als er in seiner Zeit sein konnte.
Seither haben roir eine fülle trefflicher Kostümroerke er-
halten, die den heutigen Künstler in die Tage seßen, mit
großer Detailtreue in die Gesamfauffassung des Zeitstils
einzudringen, mit der Schlechtigkeit des oerroendeten
farbmaterials ist es wohl auch nicht so arg, roie es oft
dargestellt wird, man hat erzählt, daß er die großen
Gemälde so dick mit Asphalt untermalte, und so rasch
über die nasse färbe roeiterarbeitete, daß bei der Auf-
stellung der Gemälde der Asphalt über den unteren Rah-
menrand heruntertropfte. Diese Übertreibungen sind schon
oor einiger Zeit oon einem fachmann roiderlegt morden.
Sicher ist, daß oiele der Bilder sehr stark nachgedunkelt
sind, und durch das nachträgliche Trocknen der Grundierung
die obere farbschichte oft stark gesprungen ist. Das schöne
große Bild „Katharina Eornaro“, das in der Berliner
Hationalgalerie hängt, wird man nur mit tiefer Trauer
Wiedersehen. Aber andere Werke, roie die beiden „Abun-
dantia“-Bilder in der ITlünchener Pinakothek, die “Ariadne“
in unserem Hofmuseum oder „Der Sommer (Römisches
Bad)“ in Dresden sind noch immer farbenfrisch und zeigen
die berückenden Akkorde oon Rot, Azurblau, Gold und
dem rosigen fleisch der nackten Körper. Unter den kleineren
Bildern, den Skizzen zu Vorhängen oder Deckengemälden,
roie sie in der „modernen Galerie“ und in einer der leßten
retrospektioen Ausstellungen des Künstlerhauses zu sehen
waren, auch in dem Cyklus „Die fünf Sinne“ (moderne
Galerie), ferner in dem schönen Bilde „Die falknerin“ und
einigen Studien aus Arabien scheint doch das meiste in
soliderer Technik durchgeführt zu sein und hat roenig oon
der Zeit gelitten.
Auch wäre daran zu erinnern, daß JTlakart ja nicht
der einzige roar, der sich dieser gewissen roirkungsoollen
aber unsoliden Palette bediente. Sein freund Tenbach,
der oft längere Zeit in seinem Atelier arbeitete, hat oiele
seiner Bilder, besonders oiele Damenporträts recht billig
und kitschig auf den angenehmen Galerie-Effekt herunter-
gemalt; und wenn man es dem einen Künstler nachsieht,
darf man es auch dem oielbeschäftigten und oom Arbeits-
eifer sprühenden Wiener meister nicht zu stark anrechnen.
Daß roir heute auf einem höheren Standpunkte der
Kunstauffassung stehen, — nicht die massen, aber die
immer mehr anroachsende Zahl der Kunstfreunde und
Kenner, — liegt in der Entroickelung der Zeit, man reist
mehr, sieht mehr; man studiert die Van Dycks und Velas-
quez, die Watteau und Reynolds, die ITlaler der Biedermeier-
Epoche und die modernen franzosen an Ort und Stelle,
liest die oielen Werke nach, betrachtet Photographien und
Drucke. Aber roir sind dennoch heute ungerecht gegen die
großen Künstler, die der heutigen Generation oorange-
gangen sind. Es ist das ein Geseß der Kunstgeschichte.
Hat man nicht auch an Böcklin, kaum daß seine Werke
populär geworden waren, oernichfende Kritik ge-übt? Ulan
braucht ihn nicht mehr, die Richtung ist abgeschlossen,
und man roendet sich den Bringern neuer Probleme zu,
oder sucht unter den früheren jene Anreger, die Vorläufer
künftiger Taten roerden könnten, roie ITlare'es etroa, oder
Greco, der jeßt gegen Velasquez ausgespielt roird. In der
deutschen Jahrhundertausstellung zu Berlin roar JTlakart
mit drei schwächeren Werken oertreten, während oon
JTlarees 28 herbeigeschafft worden waren, oon Spißroeg
42; oon ITlunkacsy roar nicht ein einziges da, oermutlich
roegen seiner ungarischen Abstammung; aber ITlarees ist
ja auch nicht aus deutscher familie!
 
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