Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

DOI issue:
Nummer 18 (15. Oktober)
Citation link: 
https://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/internationale_sammlerzeitung1909/0292
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Internationale Sammler-Zeitung.

Seite 286.

Hummer 18.

mit seinem feinem Gefühl für Stil und Farbe die Kunst erlernt.
Überall sieht man bei den Handwerkern ein Stilgefühl wie in
keinem anderen lande und das verspricht viel für die Zukunft.
Viele uon den Eeuten sagten: „Große meister haben wir, aber mir
haben keine Besteller, die uns etwas abkaufen tuollen.“ Die wun-
dervoll geschnitten und eingelegten Holztüren werden auch restau-
riert und ebenso gut ausgeführt wie die alten. Obgleich so ein
Künstler nur 15 bis 20 Piaster (2'50 bis 3 lllark) pro Tag erhält,
kostet so eine große Tür etwa 2000 mark einschließlich der material-
kosten, die dort unbedeutend sind. So werden alle Denkmäler
Brussas wieder mit ihrem alten Schmuck versehen; nur für eines
gibt es keinen Künstler mehr: die dekorative Arabeskenmalereien
der Kuppeln, Ulan hat nicht gewagt, die Spuren der alten Orna-

mente zu ergänzen und so ist nun alles mit weiß übertüncht, was
ja auch bei den alten Denkmälern oft vorkommf. Aber in Brussa
waren viele Kuppeln ebenso reich wie die noch heute nach 400
Jahren in ihren ursprünglichen Warben strahlend? Kuppel des
Grabdenkmales uon Djem Sultan, des nach Europa geflüchteten
Sohnes des niohammed, des Eroberers uon Konstantinopel. Ich
will nicht darüber reden, daß die Eeitung, die sehr wenig mittel
hat, einige Veränderungen vorgenommen hat und einiges unterlassen
hat, was unsere vielleicht allzu wissenschaftlichen Forderungen nicht
gerade billigen würden. Jeßt sind die JTlonumente gerettet, und
das ist ja doch die Hauptsache. Ich rate denen, die wirklich
schöne orientalische Kunst genießen wollen, in ein paar Jahren
nach Brussa zu fahren.


Chronik.

flutographen.
(Ein Brief Radeßkys.) Ein interessantes Radeßky-Auto-
graph ist durch Schenkung in den Besitz der Wiener Hofbibliothek
gelangt. Der Kunstantiquar S. Ken de in Wien überwies der Bib-
liothek einen Brief des JTlarschalls, datiert mailand, 20. JTlai 1049,
an den Ilotar Dr. J. Taschek in Wien, der sich auf die Ordnung
der Vermögensuerhältnisse des Schreibers bezieht. Der Brief beginnt
mit den Worten: „Ich bin alt und fühle das Abnehmen meiner
Kräfte, somit eine Bedeckung für die Abfahrt ist des Familien-
vaters Pflicht.“
(Ungedruckte Gedichte der Droste-Hülshoff.) Bei der
Auktion JTlax Perl in Berlin wurde für uier ungedruckte Gedichte
der Dichterin Annette uon Droste-Hülshoff 237 mark gezahlt.
Bibliophilie.
(Seltene Jnkunabeldrucke im Egerer Archiv.) Jm
Heft 1 des 48. Jahrganges der „JTlitteilungen des Vereines für
Geschichte der Deutschen in Böhmen“ veröffentlicht der Egerer
Archivar kaiserlicher Rat Dr. Siegl einen Aufsaß über Johannes
5 e n s e n s ch m i d, einen berühmten Buchdrucker aus Eger, und
dessen Werke. Dieser Sensenschmid, der um 1425 zu Eger
geboren wurde, legte 1470 die erste Druckerei in üürnberg
an, übersiedelte 1478 nach Bamberg und starb hier bald nach
1490 oder 1491. Die Erzeugnisse aus seiner Offizin werden zu
den prächtigsten und bestausgestatteten auf dem Gebiete des
Wiegendruckes gerechnet. Besonders gerühmt wird aber der
Fleiß, den Sensenschmid auf die Korrektur seiner Werke zu ver-
wenden pflegte. Diese Werke hat Dr. Siegl an der Hand der
Kataloge des Britischen ITluseums in £ o n d o n und anderer größerer
Bibliotheken genau verzeichnet, dabei auch zwei Drucke angeführt,
die in keinem bibliographischen Handbuche über Jnkunabeldrucke
aufgenommen erscheinen, im Egerer Archiv jedoch erhalten geblieben
sind. Es sind zwei Einladungen vom Bürgermeister und Rat und
den Armbrustschüßen zu Bamberg an den Egerer Rat und die
Schießgesellen in Eger vom 9. Juli 1483 und vom 23. Juli 1488.
(lleue Shakespeare Dokumente.) Der Shakespeare-
Forscher Charles William Wallace beginnt in der „Times” eine
Veröffentlichung vonneuenfdeckfen Dokumenten über Shakespeare,
die als die wichtigsten für die Geschichte des Dichters seit der
Entdeckung seines Testamentes im Jahre 1747 bezeichnet werden.
Die Urkunden sind im Hausarchiv aufgefunden worden und sind
Akten eines Prozesses, der kurz vor Shakespeares Tode begann
und um das Eigentum an den beiden Theatern Globe und Black-
friars geführt wurde. An beiden war Shakespeare als Aktionär
hervorragend beteiligt. Klägerin ist eine gewisse Thomasina
Ostler, Beklagter Shakespeares Freund John Hemyngs. Eetzterer
war der Vater der Klägerin und wurde von ihr als Geschäfts-

führer der Theater-Gesellschaft verklagt. Es wird in diesen Akten
die Geschichte aller einzelnen Anteile der Theater geschildert, so
daß sich ein genauer Einblick in Shakespeares Vermögensverhältnisse
ergibt. Es zeigt sich, daß der Dichter gegen Ende seines Erbens
von seinen Theatern jährlich 500 bis 600 Pfund (10—12.000 mark)
bezog, abgesehen von seinen Einkünften als Dramatiker.
(Bücherneuheiten von 1569.) Jm Frankfurter Archiv
befindet sich das JTleßmemorial des Frankfurter Buchhändlers
michael Harder über die Fastenmesse 1569. Jm ganzen verkaufte
er 5918 Bücher, und am besten gingen das „Buch uon den sieben
weisen meistern“ und Paulis „Schimpf und Ernst“. Von jenem
wurde er 235 Exemplare zu je 11 Schilling, uon diesem 202 los.
Ein Hausarzneibuch, das „Handbüchlein Apollinaris”, seßte er,
obgleich es 26'/2 Schilling kostete, 227mal ab. Volksbücher wurden
flott verkauft, merkwürdigerweise aber solche französischen Ur-
sprungs bevorzugt. „Fortunatus“ ging in 196, „Alagelone“ in 176,
„ITlelusine“ in 158, „Ritter Pontus“ in 147, „Ritter Gelony“ in 144,
„Oktavianus“ in 135, die Schwanksammlung „Wendunmuth“
die „unsterbliche Kiste“ jener Zeiten — in 118, Wickrams Erzählung
„Der Goldfaden“ in 116 Exemplaren ab. „Hug Schapler“ wurde
97, „Eulenspiegel“ 77, „Esop“ 69mal verkauft. Die heimatliche
Heldensage hatte an Beliebtheit verloren. Die Folio-Ausgabe Sieg-
mund Feyerabends vom „Heldenbuch“ brachte es troß ihrer Billig-
keit nur auf vier Exemplare. Das Volksbuch von „Barbarossa”
wurde 39 mal abgeseßt und vom hürnenen Siegfried verkaufte
Harder nur 34 Exemplare, von denen 25 nach Worms gingen, also
wohl aus Eokal-Pafriofismus erstanden wurden. Von Kochbüchern
verkaufte er 141. Hoch besser gingen „Wallerbüchle“, „Planeten“
und ähnliche Eiteratur.
(Verleger und Buchhändler im Altertum.) Daß es
Verleger gegeben hat, bevor man Bücher gedruckt hat, weiß man
recht wohl. Weniger bekannt dürfte sein, wieweit die Geschichte
der Verlagsbuchhandlung sich zurückverfolgen läßt. Der erste Ver-
leger, dessen Elamen uns überliefert wurde, ist wohl Atticus, der
Freund Eiceros, dessen Schriften er vertrieb. W. Schubarf
erzählt uns über ihn und seine Berufsgenossen Interessantes in
seiner Studie „Das Buch bei den Griechen und Römern“ (Berlin,
Georg Reimer). Ein großes Autorenhonorar hat Atticus seinem
berühmten Freunde nicht gezahlt. Denn wenn auch Ciceros Schriften
viel gelesen wurden — dem Verleger kam nicht uiel davon zugute.
Kaum waren nämlich einige Exemplare auf den markt gekommen,
so wurden sie von sparsamen Privatleuten abgeschrieben, oder es
fand sich ein Konkurrent, der ein Exemplar kaufte, abschreiben
ließ und unlauteren Wettbewerb trieb. Unlauteren, nicht uner-
laubten. Denn von einem Autorrecht oder Verlagsschuß ist uns
nichts bekannt. So konnten denn die Verleger dem Autor nichts
zahlen, und Autoren, an deren Aeueditionen seither schon mancher
reich geworden ist, befanden sich in derselben Stellung wie heute
unsere jüngsten Anwärter auf Unsterblichkeit: sie waren froh, wenn
der Verleger ihre Bücher „nahm“, d. h. auf eigenes Risiko verviel-
fältigen ließ. Dabei war Atticus doch sehr zuvorkommend. Als
Cicero seine „Akademika“ dermaßen änderte, daß die schon fertig.
 
Annotationen