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Hummer 19.

Internationale Sammler-Zeitung.

Seite 309.

Willi amson bekam auf seine Anfrage vom Petersburger Hofe
den Bescheid, dal] das Service nicht mehr existiere. Endlich kam
er bei dem Zaren Hikolaus selbst um die Erlaubnis ein, persönlich
in den russischen Schlössern nachforschen zu dürfen. Hach langem
Suchen fand er dann auch in einer Speisekammer des Schlosses
Peterhof 800 Stücke dieses wertvollsten europäischen Seroices ein-
gepackt und ganz perstaubt oor. mit der Erlaubnis des Zaren sind
die kostbaren Geräte uon dem Forscher zu einer Ausstellung im
englischen Palast des Peterhofes vereinigt morden, ferner erlaubte
der Zar, daf] die Stücke photographiert und ihre Abbildungen dem-
nächst in einem Buche publiziert werden. Huf Veranlassung der
Zarin wird ein Teil des aufgefundenen Seroices auf kurze Zeit
nach Eondon gebracht werden, um es auch dort auszustellen.
Alister 5. H. Wedgewood, ein direkter llachkomme des großen
Josiah, ist bereits nach Rußland gereist, um es nach Etruria, oon
wo es oor 155 Jahren abgeschickt wurde, persönlich zurückzu-
transportieren.
Verschiedenes.
(Eine Büste teonardo da Vincis?) Aus Berlin
wird uns unterm 25. o. 111. geschrieben: Wie gemeldet, hat der
Direktor des Berliner Kaiser Friedrich-Hluseums Geheimrat Doktor
Bode in England eine Wachsbüste angekauft, die er £ e o n a r d o
da Vinci zuschrieb Diese jüngste Kunsterwerbung hat begreif-
licherweise Aufsehen erregt und auch in Eondon wurden Stimmen
laut, die dem Bedauern Ausdruck gaben, dal] man diese interessante
Büste nicht in England gehalten habe. Jet]t aber hat der Auktionator
Gocksey den „Times“ eine Zuschrift gesandt, in der er erklärt,
daf] die angeb.iche Eeonardo-Büsfe eine Arbeit des verstorbenen
Eondoner Bildhauer Ericas ist, der sie nach der Kopie eines
Bildes oon Eeonardo da Vinci in Wachs modelliert habe. Cocksey
gibt genau an, wie die Büste entstanden sei und welchen Weg
sie gemacht habe, ehe sie in die Hände Bode’s gekommen ist.
Unter anderem erzählt er, dal] sie seinerzeit oon einem Kunstmäcen
bestellt, jedoch nicht bezahlt worden sei und so in den Händen
des Künstlers geblieben ist, der sie später mit den Kunstschäi]en
nach seinem Eandsit] genommen hat. Der Sohn Eucas, der heute
noch, als Sljähriger Greis, seiner Bildhauerkunst in Southampton
lebt, hatte seinerzeit die Kopie oon Eeonardo da Vincis Bild er-
halten. Beim Tode seines Vaters ging der Eandsif] mit den darin
enthaltenen Kunstschäfjen an einen Herrn Simpson über. Bei
dessen Tode wurde die Kopie mit anderen Gegenständen oon den
Erben oerkauft und man hörte nichts mehr davon, bis sie plöfjlich
wieder in dem Eaden eines Kunsthändlers in Southampton auf-
tauchte, oon dem Geheimrat Bode sie für achttausend Pfund er-
warb. Der „ITlorning Eeader“ hat nun den JTlaler Eucas, den
Sohn des angeblichen Schöpfers der Büste, aufsuchen lassen. Dieser
erklärte mit aller Bestimmtheit, in den Abbildungen der Wachs-
büste das Werk seines Vaters wiederzuerkennen. Es könnte kein
Irrtum oorwalfen, da er selbst seinem Vater bei der IHodellierung
geholfen und außerdem das Origmalgemälde kopiert habe. Den
Kopfschmuck, der noch heute erhalten ist, habe er allein gemacht.
Der alte Herr erklärte ferner, das antike Aussehen habe die Büste
deshalb, weil sie im Garten aufgesfellt und dort jedem Unwetter
ausgesetjt war. Der „ITlorning Eeader“ schließt seinen Bericht mit
den Worten: „Hlr. Cocksey ist augenblicklich mit anderen Unter-
suchungen beschäftigt, deren Resultate noch weit größere Ueber-
rasch ungen in Kunstkreisen bereiten dürften.” Für Bode tritt
Felix Joubert in Eondon ein. Er meint, wenn die Büste wirklich
oon Eucas sei, so oerdiene dieser wegen dieses einen ITleister-
stückes schon in die Ruhmesliste der Kunst eingetragen zu werden,
man könne aber nicht gut annehmen, daf] eine so eminente
Autorität wie Professor Bode sich geirrt haben sollte. Uebrigens
müsse jeder Kunstkenner bei Betrachtung der Büste die Lieber-
zeugung gewinnen, daf] sie nur das Werk eines ganz Großen sein
könne. Sie weise die Charaktermerkmale der Kunst da Vincis
auf. Die Erklärung, daf] sie ihr altertümliches Aussehen in Sturm
und Wetter erlangt habe, könnte man keineswegs gelten lassen,
es hätten sich die Gesichtszüge nicht so fein erhalten, zumindestens
wäre die Farbe ausgewaschen worden. Aber gerade die Farbe
sei teilweise noch vorzüglich erhalten und oon einer Härte, die
nur oon sehr hohem Alter herrühren könne. Die Verwaltung des
Kaiser Friedrich-lHuseums feilt zu dieser Affäre folgendes mit:
In der ganzen Angelegenheit wird mit so absurden Argumenten
gearbeitet, dafj ein ernster Forscher auf diese Vorwürfe überhaupt
nicht eingehen kann. Schon allein die Behauptung, dal] eine Wachs-
büste in einem Garten aufgestellt wurde, zeigt, wefj Geistes Kinder
die Urheber jener JTlitteilung sein müssen.
(Eine Stradioarius für hunderttausend mark.) Willy
Burmester wird künftig seine Kunst auf einem ganz oortreff-
lichen Instrument oorführen können. Er hat eine der beiden kost-

baren Stradioarius, die bei der Firma Robert Beyer in Berlin
j ausgestellt waren, ein hervorragend schönes Exemplar mit rotem
Eack aus dem Jahre 1717, also aus der besten Zeit des Illeisters,
das zu den größten Seltenheiten gehört, für hunderttausend mark
erworben.
(Ein deutscher Kunstoerein in Belgien.) Um den
in Belgien lebenden Deutschen künstlerische und geistige Anregung
zu ermöglichen, sie in dauernder Verbindung mit den Kultur-
strömungen in der Heimat zu halten, I af sich aus mitgliedern
der Kolonie in Brüssel ein deutscher Kunstoerein gebildet. Der
I Verein sucht diesen Zweck zu erreichen durch Veranstaltung oon
| Vorträgen über Kunst und Eiteratur, durch Veranstaltung oon literar-
j ischen und musikalischen Abenden und durch Atelierbesuche und
i Besuche oon Kunstausstellungen unter Führung oon Kunstoer-
j ständigen. Für später ist auch die Veranstaltung oon gröfjern und
I kleinern Kunstausstellungen in Aussicht genommen.
(5 puren d es Urmenschen inUngarn.) Durch interessante
j geologische Forschungen, die in Illis ko lez und Hamor in Ungarn
gemacht werden, wurde, wie der „Vossischen Zeitung“ berichtet
wird, nunmehr festgestellt, daf] Ungarn in der diluoian sehen Stein-
zeit bewohnt war. Der Gelehrte Otto Hermann fand bei JTliskolcz
ein Werkzeug aus der Steinzeit nnd folgerte daraus, dal] zu dieser
Zeit bereits illenschen in Ungarn gelebt haben, Hun lief] das könig-
lich ungarische geologische Institut auf Betreiben Hermanns in der
Umgebung oon Hamor durch den Geologen Dr. Ottokar Kachee
Ausgrabungen vornehmen; dieser hielt die Durchforschung der
Szeletahöhle zu dem Zweck am geeignetsten, und seit dem
10. Mai d. J. wurden in dieser Höhle Forschungen angestellt. Es
wurde eine menge non Knochen ausgegraben, die, wie man fest-
stellte, oon vorsintflutlichen Tieren, wie Höhlenbären, Waldpferden,
Riesenbären, Riesenhirschen u. dgl. herstammen. In den gleichen
Schichten wurden "grofje massen oon Paläolifhen und Steinwerk-
zeugen der Urmenschen gefunden. Bisher hat man gegen 1200
Werkzeuge ausgehoben, zumeist Erzeugnisse, die oor 30.000 bis
40.000 Jahren verfertigt wurden. Auch wurden ausgedehnte Feuer-
stellen der Urmenschen in dieser Höhle gefunden. Diese inter-
essanten Aushebungen, die mit pekuniärer Unterstüt]ung des
llluseums- und Kulturoereines in Illis ko lez betrieben werden,
werden noch durch einige Hlonate fortgeseljt.
fßuseen.
(Ein niuseum zur Erinnerung an das Jahr 1812.)
Unter Zustimmung des Zaren hat sich in Hloskau ein Komitee
gebildet, das dort ein Uluseum zur Erinnerung an die Ereignisse
des Jahres 1812 errichten will. Das Uluseum wird in einem prunk-
vollen Gebäude untergebracht werden, das man im Eaufe der
nächsten zwei Jahre zu vollenden hofft, so daf] die Hundertjahr-
feier dieses wichtigsten Jahres russischer Geschichte mit der Ein-
weihung dieses IHuseums begangen werden kann Zar Hikolaus
hat zur Errichtung des Hauses und zum Ankauf besonders wert-
voller Gegenstände eine grofje Summe zur Verfügung gestellt und
seinem Beispiel sind die vornehmsten und reichsten Russen mit
beträchtlichen Spenden gefolgt. Alles, was mit den Ereignissen des
Feldzuges Hapoleons nach Rufjland in Zusammenhang gebracht werden
kann, soll in dem Hluseum eine bleibende Stätte finden, in erster Einie
Portraits, Büsten, Statuen, Karten, Gemälde, Drucke, Uniformen
russischer wie fremder Truppen, Waffen jeder Art, Orden und
Denkmünzen, Zeitungen, lllaueranschläge, napoleonische Schatjan-
weisungen, Briefe, Autographen, Akten, Bücher, Broschüren, Flug-
blätter, Eithographien u. s. w. An der Spitje des llluseumsaus-
dusschusses steht der Generalgouverneur von Hloskau und ihm
zur Seife der ehemalige IHinister des öffentlichen Unterrichts,
General Glazoff. Um dem Plan jede Schärfe gegen Frankreich zu
nehmen und jeder Empfindlichkeit in dem verbündeten Eande vor-
zubeugen, hat sich in Paris auf Veranlassung der russischen Bot-
schaft ein Subkomitee gebildet, das unter der Eeitung des Baron
de Baye steht und in ganz Frankreich eifrig nach Gegenständen
forscht, die sich für das russische Erinnerungsmuseum des Jahres
1812 eignen.
(Robert Ritter oon Schneider.) In Wien ist am
24. Oktober d. J. der Direktor der Antikensammlungen des
Kunsthistorischen Hofmuseums, Hofraf Professor Dr. Robert Ritter
von Schneider im 54. Eebensjahre gestorben. Hofraf Schneider
zählte zu den hervorragendsten Vertretern der Archäologie. 1ns-
 
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