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Internationale
$ammler-2eifunfl
Zenfralblatf für Sammler, Eiebhaber und Kunstfreunde.
Herausgeber: Harbert ehrlich und J. Hans Prost.

1. Jahrgang.

Wien, 1. Dezember 1909.

Hummer 21.

Der Streit um öie Leonaröo-ßüste.

Von Dr. Cudruig ÜJ. flbels (Wien).


land wie in England persönliche lllotive die Erregung
auf beiden Seifen zu steigern
scheinen und nieten Urteilenden
der ruhige Blick abhanden
gekommen sein dürfte. Als
erster hat Professor Dvorak
in einer großen Wiener Tages-
zeitung seine Ansicht kund-
gegeben. Dnofak lehnt eine
entschiedene Zuschreibung des
Werkes ab, läfjt aber durch-
blicken, dalj er den Ankauf
derselben für einen JTlifjgriff
halte. Doch findet er die An-
griffe auf Bode, die aus diesem
Anlafjvon verschiedenen Seiten
ausgingen, als ungebührlich
einem ITlaniie gegenüber, der
um das lAuseumsroesen spe-
ziell in Deutschland und auch
um die Kunstforschung so
uiele Verdienste erworben hat.
Die Zurückhaltung Dvoraks
beweist gewifj vornehmes
Taktgefühl und wird vielleicht
glühende Kohlen auf das Haupt
des Berliners schütten. Aber
den wenig vornehmen Ver-
suchen der Berliner Bode-Partei,
durch breiteste Reklame die
Zweifel zu überschreien, ge-
bührte eine energischere Ant-
wort. Und gerade die Wiener
lAuseumsleute und Kunst-
historiker haben durchaus
keinen Grund, ihre ffleinung
aus Taktrücksichten zu ver-

)) er heftige Streit um die non Generaldirektor Bode | Unbeteiligten zur Pflicht, unbefangen die Ergebnisse seiner
ij für das Berliner JTluseum erworbene florabüste j Beobachtungen auszusprechen, nachdem sowohl in Deutsch-
k ist in Wien non Anfang an mit dem lebhaftesten
/I Interesse verfolgt
J worden. Ist doch
5 gerade unsere Stadt
A besonders reich an
In herrlichen Werken
/ der Renaissance;
\ in den Sammlungen
j des Kaiserhauses
wie in denen des fürsten
Eiechtenstein und mancher
tapferen Privatsammler sind
neben Gemälden der bedeu-
tendsten Künster des Quattro-
und Cinquecento auch zahl-
reiche berühmte Skulpturen
in JTlarmor, Bronze, Terra-
kotta. Und einige der nam-
haftesten forscher auf diesem
Gebiete waren und sind in
Wien tätig.
Dennoch hat bis vor
kurzem niemand seinellleinung
öffentlich kundgegeben. ITlan
wollte erst die Untersuchung
der Provenienz und die Durch-
leuchtung der Wachsbüste
mit Röntgenstrahlen ab-
warten, da uns die ganze
Affäre ja nicht auf den Hägeln
brennt, nunmehr aber, da
alle erforderlichen materiellen
vorliegen: gute Aufnahmen
der Büste in Vorder- und
Seitenansicht, Photographien
von verschiedenen Arbeiten
des englischen Bildhauers

Eucas, besonders von seinem

Schleiern.

Hilfsmodell für die Herstellung fig. <• Die angebliche Ceonardo-Büste. Bode hat uns oft genug
(oder Restaurierung?) der geärgert. Hur seine ITlu-
florabüste, endlich die Angaben der verschiedenen englischen seumstätigkeit war musfergiltig, nur was er kaufte, war

Gegner der Eeonardo-Zuschreibung, nunmehr ist es wohl echt. Auf uns Wiener Waisenknaben sah er mit Hochmut
erlaubt, auch als fernstehender seine JTleinung in der Streit- herab. Bei jedem passenden und unpassenden Anlafj gab
frage abzugeben. Ja, es wird gerade für den Unparteiischen, \ er uns seine himmelhohe Überlegenheit zu verspüren.
 
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