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Internationale Sammlerzeitung: Zentralbl. für Sammler, Liebhaber u. Kunstfreunde — 1.1909

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Nummer 22 (15. Dezember)
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Seife 346.

Internationale Sammler-Zeitung.

Hummer 22.

Albert Bangen, Diederichs, der Inseloerlag, 5. bischer,
Hans oon Weber und andere nahmen sich, gestütjt non
einer Reihe non Künstlern, des Buches an, das seine
Renaissance erlebte. Wir haben wieder Bücherliebhaber
aus freude an künstlerischer form, und einer kommenden
Zeit wird unsere Buchkunst so oiel non uns erzählen
können, als die längst nergangener Epochen.
Es gibt in Rnekdoten und Aufzeichnungen Beiträge
zur Psychologie des Bibliophilen. Sie zerfallen in Typen
und man kennt auch groteske Entartungen der Bücher-
liebhaberei. Kürzlich wurde der Bibliophile franz Hay-
dinger in Wien, der ein einfacher Gastwirt war, durch eine
Gedenktafel geehrt. Seine Absicht war die, dem fach-
gelehrten und Gelehrten mit seinen Kenntnissen und fflitteln
ein lebendiges Hilfsamt zu sein. JTlan sah ihn sonst als
einfachen Geschäftsmann, die blaue Schürze oorgebunden,
aber diesem Kleinbürger nerdanken wir Detailkenntnisse,
die sich auf unsere ganze oaterländische Geschichte erstrecken.
Er war der Einzige, der die Erstausgabe oon Werther besaß
und eine oon Eessings, Goethes und Schillers Schriften.
Er sammelte Einblaftdrucke, Todesurteile, Diebs- und Gauner-
Biteratur, Beiträge zur Geschichte des dreißigjährigen Krieges,
Werke der oaterländischen Trachtenkunde, Kuriosa, Theater-
geschichtliches und Dornehmlich alles, was Wien und seine
Vergangenheit betraf. Zu ungefähr gleicher Zeit lebte in
Wien ein kaiserlicher Beamter oon Balsch, oon dem
Gräffer erzählt, daß er alle Bücher kaufte, die er erlangen
konnte. Er ließ sie dann gleich bis auf den Text be-
schneiden, legte sich auf das Ruhesopha und hörte nicht
eher zu lesen auf, als bis das Buch zu Ende war. Auf
jeder Seite hatte er eine ITlenge angestrichen; dann sah

er das Buch noch ein wenig an und legte es für alle
Ewigkeit in eine Kiste, die, wenn sie ooll war, zugenagelt
und auf den Dachboden gebracht wurde. Solcher Kisten
häuften sich mit der Zeit oiele Hunderte an.
Ähnlich galt in den Zwanziger Jahren des oorigen
Jahrhunderts ein pensionierter General freiherr oon Gabel-
kooen, Besißer des Hauses „zum Pflug“ auf der Band-
straße, als seltsamer Bibliophile, dessen in Wahllosigkeit
hergestellte Bibliothek 80.000 Bände umfaßte. Da gab
es, gleichfalls um dieselbe Zeit, in Wien noch einen bürger-
lichen Rauchfangkehrer Karl Giugno, der als Sammler
oon Theaterstücken in englischer, französischer, italienischer
und deutscher Sprache bekannt war. All diese Dramen
las er auch und er war es, der Haffner auf ein englisches
Künstlerdrama aufmerksam machte, dem der Verfasser oon
„Therese Krones“ dann die Wahnsinnsszene nachbildete.
Es gibt als Entartungserscheinung des Bibliophilen
den Bibliomanen, Sammler oon fehldrucken, wertloser
Ulakulatur, es gab oon der Büchermanie zur Brandstiftung,
zum Diebstahl und JTlord Verleitete. Als Beispiel wird u. a.
der Padre Vincenfo oom Kloster Pöblet bei Tarragona an-
geführt, der zur Erlangung einer ihm unerreichbaren
Inkunabel aus dem Jahre 1548 den Baden des Buchhändlers
Patjot in Brand steckte, wobei der Eigentümer umkam.
Als er als Täter entdeckt wurde, machte der Padre das
Geständnis, daß er oorher schon oiele Hlorde aus Bücher-
gier oerübt habe. Der Übeltäter wurde hingerichtet. Die
Geschichte der Bücherliebhaberei kennt auch JTlärtyrer,
raffinierte fälscher und Betrüger, worüber ein eigenes
Kapitel zu schreiben wäre, ein Kapitel zur Psychologie
menschlicher Verirrungen.


Japanische Farbenholzschnitte.

Über die Ausstellung ausgewählter japanischer nieisterholz-
schnitte der Sammlung Straus-lJegbaur in frankfurt a. 111.
schreibt Dr. Julius Kurth in der „frankt.-Ztg.“:
Die stattliche Reihe der 236 nummern gibt nicht nur ein
oorfreffliches Bild der technischen Entwicklung des Holzschnittes,
sondern auch einen geschlossenen Überblick über seine besten
meister. Zudem ist die Erhaltung der weitaus meisten Blätter
eine so glänzende, daß man ihren unsprünglichen Reiz ooll ge-
nießen kann.
Der Holzschnitt ist eine Blüte der To k ug a w a-Ze it. 1603
erwarb die hochbedeufende Tokugawa-familie das Erbrecht auf die
Würde der „Reichsfeldmarschälle“ — oder wie man „Shogun“
immer überseßen will, und hatte den in halbgöfflicher Abgeschlossen-
heit hindämmernden Kaisern gegenüber die Zügel der Candes-
regierung in der faust, bis im Jahre 1868 durch jene unoergleich-
liche politische Reformation dem Kaiser wieder gegeben wurde,
was des Kaisers war. mit der galanten, oon den heutigen Japanern
als tiefste Verfallszeit gewerteten Tokugawa-Epoche steht und fällt
die Holzschnittkunst. Das ist ihr ungeheurer Reiz für die Kunst-
historiker, daß sie in den knappen Rahmen oon zweihundert
Jahren (das erste nachweisbare Holzschnittbuch erschien 1659,
uorher wohl nur Ziegeldrucke) eine große Entwicklung im Kleinen
spiegelt, uon den Primitioen bis zu den Dekadenten, non der
starrsten Holzschnitt-Technik bis zur wildesten malerischen Regel-
losigkeit, und daß dieser Rahmen mit über dreihundert meistern
eine ganze Kette blühender und sinkender Schulen umfaßt! Ein
derartiges geschlossenes Bild eines Kunstzweigs ist in der Kunst-
geschichte einzigartig. Gegen das hohe Entzücken, das die feinen
Produkte dieser Gattung bei den besten Künstlern des Westens
und dem gebildeten Publikum ausgelöst haben, gegen den be-
wußten und nachhaltigen Einfluß, den sie auf unsern Impressionis-

mus ausübten, gegen die unerschöpfbare fülle kulturhistorischer
Schäße, die sie bergen, fällt ein gewisser blasierter Snobismus nicht
in die Wagschale, der uns weiß machen will, daß jede Kunst
„minderwertig“ gegen die JTTalerei sei. Japans Hochkunst, aus
Chinas Befruchtung stammend, ist uns großenteils noch ein Buch
mit sieben Siegeln und oiel zu schwer in guten Werken erwerbbar,
als daß sie bei uns bahnbrechend wirken könnte. Der Holzschnitt
aber ist die eigentliche Blüte national-japanischer Kunst, und so
werden wir ihn zu werten haben.
Die Ausstellung zeigt uns die Anfänge noch unbeholfener
Technik, starke, mächtige Tinien, Handkolorierung, die zuerst an
kindliches „Austuschen“ erinnert, bis sich um 1793 eine Art „heral-
discher“ färbung mit mennigrot und Gelbsaft, nach 1720 Imitationen
oon Eackmalereien durch Eeimauftrag und Goldpuloer, gegen 1725
aber karminfarbige flächen beliebt machen. Über achtzig Jahre
hat man nicht daran gedacht, auch die färben durch Holzplatten
abzudrucken, wie man es mit den Konturen tat, bis im Anfänge
der oierziger Jahre der geniale Okamura lllasanobu den Zwei-
farbendruck, zuerst mit Grün und Karminrosa, erfand. Aber
erst 1765 war dieser durch die oerschiedensten Stadien hindurch
zum oollendeten Vierfarbendruck mit beliebig pielen Platten
gesteigert. Von dem Raffinement dieser Technik gibt uns die Aus-
stellung eine oortreffliche Anschauung, farberiföne, wie sie das
Gehirn westlicher JTlaler nie auszudenken oermochte, in zartesten
Tinten oft eine überraschende Glut, Klänge, wie oon Eiedern oer-
haltener Eeidenschaft, unerhörte Kombinationen kaum gehauchter
üuancen mit schweren, opaken massen . . . Dazu jene staunens-
werte Erfindung farbloser Druckplatten, die ein JTlusfer nur durch
Blindpressung, ganze figuren oder Gewänder nur durch Relief-
pressung geben! Jn den siebziger Jahren beginnt man, JTlefallföne
aufzudrucken, grün anlaufende Bronze, strahlendes Blattgold,
 
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