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Internationale
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Zentralblatt für Sammler, Liebhaber und Kunstfreunde
Herausgeber : Norbert Ehrlich

20. Jahrgang

Wien, 1. September 1928

Nr. 17

Uhr der Urvelker.
Von der antiken Zeitmessung zur modernen Uhr.
I.
Von Alexander Grosz (Wien).

1. Am Anfänge schuf Gott Himmel und Erde.
2. Und die Erde war wüste und leer und es war
finster auf der Tiefe; und der Geist Gottes
schwebete auf dem Wasser.
3. Und Gott sprach: »Es werde Licht«, und es
ward Licht.
4. Und Gott sah, daß das Licht gut war. Da schied
Gott das Licht von der Finsternis.
5. Und nannte das Licht Tag und die Finsternis
Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der
erste Tag. (1. Buch Moses, Kap. 1.)
Warum ich die Bibel hier zitiere? Weil das,
was wir von den Zeitmessern frühester Völker wis-
sen, leider nur sehr wenig ist und wir die Kunde
darüber in spärlichen Andeutungen der Bibel, den
Dichtungen und Geschichtswerken Homers, Hero-
dots, Berosius, Vitruvius, Plinius, Josephus Flavins
und dann in späteren, besser benachrichtigten
Schriftstellern finden.
Es ist doch nichts kostbarer als die Zeit, nichts
aber auch flüchtiger als sie. Seine Zeit richtig ein-
zuteilen, gehört heute zu den wichtigsten Bedingun-
gen unseres Lebens, wenn wir den Anforderungen
gerecht werden wollen, die der Kampf um die Exi-
stenz an uns stellt.
Eine Maschine zu konstruieren, mittels welcher
man einen bestimmten Zeitraum, z. B. einen Tag,
in kleinere Zeiträume, nach unseren Bezeichnungen
in Stunden, Minuten und Sekunden einteilen und er-
fahren kann, wie vieler solcher Teile verflossen sind,
ist der Zweck der Uhrmacherkunst. Aber nicht von
jeher, erst seit kürzerer Zeit haben unsere Zeit-
messer jene Form und jene hohe Stufe von Genauig-
keit erhalten, welche wir so sehr an ihnen be-
wundern.
Wie primitiv waren nicht die Vorrichtungen
unserer ältesten Vorfahren, die sich ihre Zeit nur
nach dem Stande der Sonne, nach dem von verschie-
denen Gegenständen geworfenen Schatten, nach dem
Abfließen des Wassers oder Sandes, nach dem Auf-
tauchen der Gestirne am Firmamente bestimmen
konnten.
Die Wahrnehmung, daß die Sonne in ihrer
scheinbaren Bewegung sich alle Tage regelmäßig

um die Erde drehe, eine Zeitlang über derselben
verweile, sich hinter den westlichen Erhebungen
herabsenke, um nach einem gewissen Zeiträume
wieder im Osten aufzugehen, gab zur rohesten Ein-
teilung der Zeit in Tag und Nacht Anlaß. Bald nach-
dem man also angefangen hatte, sich die Zeit in Tag
und Nacht einzuteilen, machte man die Beobachtung,
daß die Sonne auf ihrer Bahn einen höchsten Punkt
erreichte, welcher ebenso weit von ihrem Anfänge
als von ihrem Untergange entfernt war und nannte
nun diesen Punkt den Mittag, während man den
Aufgang der Sonne mit Morgen, den Untergang mit
Abend bezeichnete. Die Mitte zwischen Abend und
Morgen nannte man Mitternacht.
»Hebe Deine Augen auf und siehe von der
Stätte an, da Du wohnest, gegen Mitternacht,
gegen den Mittag, gegen den Morgen und gegen
den Abend.« (I. Buch Moses, Kap. 13.)
So einfach nun diese Einteilung der Zeit war,
so verschieden begannen die verschiedenen Völker
den Anfang des bürgerlichen Tages, das ist-Tag und
Nacht zusammen, zu bestimmen. Die Babylonier,
Perser, Syrier und die meisten orientalischen Völ-
ker rechneten vom Aufgange der Sonne ab, die He-
bräer und Athener vom Untergange der Sonne ab;
die Umbrer, Etrusker vdm Mittag; die Aegypter,
römischen Priester und andere westlichen Völker
von Mitternacht ab. Noch mehrere Jahrhunderte
nach dem trojanischen Kriege finden wir bei keinem
der Völker eine andere Zeitrechnung erwähnt; auch
Homer, gegen 900 v. Chr., gibt den Anbruch der
Morgenröte und den Einbruch der nächtlichen Fin-
sternis als die Grenzen des Tages an.
Einen weiteren Schritt zur Einteilung des Tages
machte man erst, als man die Beobachtung auszu-
nützen begann, daß verschiedene Gegenstände,
Bäume, Häuser, Menschen, Schatten warfen, welche
zu verschiedenen Tageszeiten von verschiedener
Länge, mittags aber am kürzesten waren. Der von
einem Gegenstände oder vom Menschen selbst ge-
worfene Schatten wurde seiner Länge nach in Füßen
abgemessen, abgeschritten; man gewöhnte sich,
irgend eine Handlung oder Arbeit in jene Tageszeit
zu verlegen, wann der geworfene Schatten eine be-
stimmte Anzahl von Füßen erreicht hatte,
 
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