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Venezianische Kunstsammlungen des 16. Jahrhunderts

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alles, was ihm gezeigt wurde, Notizen
gemacht, wie er denn z. B. von den
Antiken, die der Kardinal Grimani be-
saß, kein Wort sagt. Immerhin schei-
nen einige dieser Patrizier sich mehr
für Bilder interessiert zu haben, und
man fi n d et hi er den! nterschied < 1 es Ge-
schmacks deutlich ausgeprägt: dieser
bevorzugt die modernen Meister seiner
Vaterstadt, bei jenem wiegen die alten
Meister vor und ein dritter hat offen-
bar eine ausgeprägte Vorliebe für die
Feinmalerei der Niederländer. Gerade
hierin, daß jede dieser Sammlungen
eine durchaus persönliche Note trug,
muß ihr besonderer Beiz bestanden
haben.
Wenn wir eine zusammenfassende
Übersicht mit den Bildern beginnen
lassen, so fällt zunächst auf, daß nur
eine bestimmte Gruppe von venezia-
nischen Malern und gewisse Stoffge-
biete als Objekte des Sammelns bevor-
zugt werden. I )ie heiligen Gegenstände,
das wird man gleich gewahr, beginnen nun schon zurückzutreten, denn grade diese Schule
hatte in eben diesen Jahrzehnten der Malerei neue Reiche erobert. Nur zwei Marien-

Abb. /|. V. Carpaccio. Tanke Ecke vom Studierzimmer des
heil. Hieronymus
(Siehe Abb. 3)


bilder von Giovanni Bellini sind aufgeführt; wie auffallend ist das, wenn man an die
fast unübersehbare Produktion des großen Meisters auf diesem Gebiet denkt! Daneben
ein Christus „in rnaestä“ von höchster Vollendung — etwa ein Bild, wie das in Madrid
bewahrte — und ein anderes Bild des Heilands mit dem Kreuz auf der Schulter, gewiß
das Urbild der Komposition, die in einer Wiederholung von der Hand seines großen
Schülers Giorgione erhallen ist ( Boston, Mrs. Gardner). Endlich ein heiliger Franz in
einer Landschaft, deren Vollendung Michiel besonders rühmt1), ein Bild, das lange auf

g Da der Passus, in dem Michiel dieses Bild beschreibt, mehrfach mißverstanden worden ist, will ich ihn hier
übersetzen: „Das Ölgemälde des heiligen Franz in der Einöde war ein Werk von Giovanni Bellini, von ihm für
Herrn Giovanni Michiel begonnen. Es hat eine benachbarte Landschaft, die in wunderbarer Weise vollendet und
wiedergegeben ist.“ Die „Landschaft im Vordergrund“, wie Frimmel übersetzt, trifft weder Michiels Ausdruck
noch den Sachverhalt; gemeint ist das jenseits des felsigen Vordergrunds sichtbare Landschaftsstück des Hinter-
grunds. Eine Abbildung des Werks bei Berenson, Venetian painting in America, New York 1916, p. 96.
 
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