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Venezianische Kunstsammlungen des 16. Jahrhunderts

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gehören alle dem phantastisch-spukhaften Stoffge-
biet an, in dem Bosch recht eigentlich Meister ge-
wesen ist. Zahlreiche andere Bilder werden „opere
Ponentine“ genannt, stets sind es kleinere Formate,
und daß sie in Gl gemalt waren, ist meistens dazu
bemerkt1). Als eine Kuriosität, von deren Aussehen
cs schwer wird, sich eine richtige Vorstellung zu
bilden, waren kleine Bilder von „Jeronimo Todes-
chino“; kleine Säulen und andere Zierteile stellten
sie dar, von Edelsteinen und kostbarem Gestein,
aufs glücklichste wiedergegeben.
Diese Kostbarkeiten ans fernem Lande, durch die
regen Handelsbeziehungen an die Adria geführt,
lassen uns durch ihre große Zahl einen Blick tun
in die rückhaltlose Bewunderung, welche die Ita-
liener dieser Epoche der wunderbaren Vollendung
der niederländischen Bilder zollten. Der Export
aus Flandern muß in der damaligen Zeit erstaun-
lich groß gewesen sein. Wir besitzen ans eben diesen
Jahren ein interessantes Zeugnis dafür, auf das ich an dieser Stelle hinweisen will, weil
es vermutlich noch nicht allgemein bekannt ist. Im Jahr i535 berichtete ein mantuaner
Hofmann an Isabella d’Este wie folgt2): „Gegenwärtig ist hier Matteo de Nasar, der am
französischen Hof lebt; er hat dreihundert Bilder aus Flandern mitgebracht, Landschaften,
auf Holz und Leinwand, so schön wie man’s nur sagen kann. Mein erlauchter Herr Herzog
hat 120 Stück für 4oo Goldskudi gekauft, darunter fünfundzwanzig bis dreißig < ilbilder,
unter denen wieder vier große von vorzüglicher Schönheit, die hundert Skudi kosten. Im
ganzen sind zwanzig Stück dabei, die nichts anderes als Brände darstellten (paesi di foco),
so daß man glauben möchte, sich daran die Finger zu versengen. Seine Hoheit beabsichtigt
sie in den neuen Räumen des Schlosses, die mit Nußholz, bekleidet werden sollen, unter-
zubringen; sie sollen in die Paneele eingelassen und dann gerahmt werden; in den kleinen
Zimmern werden die vollendetsten ihren Platz erhalten, ebenso die großen Stücke, um aus
der Nähe gesehen zu werden, die andern werden in den Zimmern ihren Platz erhalten, die
ebenso wie die kleinen Räume mit Holz umkleidet werden. Das läßt sich in sehr gefälliger
Weise anordnen, da alle 120 Bilder nur von drei verschiedenen Größen sind.“ Hieraus
Nur einmal, bei einem Abendmahlsbild im Hause Venier, dessen Meister nicht genannt ist, wird bemerkt, daß
es in Leimfarben (ä colla) gemalt gewesen sei.
2) Auch diese interessante Nachricht findet sich in dem überaus wichtigen Buch von Luzio, La Galleria dei Gon-
zaga (S. 3o). Hier handelt es sich wirklich um Sammlertum des Fürsten.

Abb. 5. Maitre de Moulins, Bildnis des
Dauphins Charles-Orlant
Paris, Louvre
 
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