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Adolph Donath

und „die Goldmark“ sich durchsetzt. Doch für die Majorität der Händler und Sammler
ist die Umstellung schwer. Sic haben Kunst zumeist für wertlose Papierscheine her-
gegeben, haben ihre Vermögen verloren und müssen neu aufbauen. Und jene wieder,
die Devisen hatten und mit der Rentenmark im ersten Rausch der Goldwährung allzu
freigebig sind, indem sie die über Nacht geschaffenen „Goldpreise“ für Kunst in die
Höhe treiben, haben schon nach wenigen Monaten des Jahres 1924 ihren Goldbesitz ge-
lockert. So beginnt die Katastrophe von neuem. Diesmal innerhalb der Goldmarksituation.
Der Kunsthandel kann sich nicht rühren und die Kunstauktionen „gehen“ mit wenigen
Ausnahmen — eigentlich nur im Auslande. Und erst im Herbst 1924, als der Dawes-
Plan schon auf die Wirtschaft einwirkt, spürt man eine Belebung des Markts.
Die einzelnen Phasen dieser Kunstmarktgeschehnisse von 1928/24 will ich nun in ihren
wichtigsten Einzelheiten im folgenden zeichnen. Bei den deutschen Marktereignissen
von 1928 gebe ich den „jeweiligen“ Dollarstand an, und die Resultate der maßgebenden
ausländischen Märkte sind in den Preisen der betreffenden Länder notiert.
Im Januar 1928 verhielt sich der deutsche Kunstmarkt abwartend und zurückhaltend.
Man schien durch Paris etwas eingeschüchtert, wo um die Wende des Jahres namentlich
die Preise für moderne Kunst eine Senkung erfahren hatten. Nur eine einzige Ausnahme
gab es inmitten der französischen Kunsthandelshast: das Bild „Die Toilette“ von Puvis
de Chavanne wurde mit 218600 Francs bezahlt, während man bis dahin für die Werke
des Meisters kaum mehr als den fünfzigsten Teil der genannten Summe anlegen wollte.
Und in deutschem Gelde bedeutete dieser Preis mehr als 100 Millionen Papiermark, die
bei einem Dollarstande von rund 7000 einer Summe von mehr als byooo Goldmark
gleichkamen. Aber dieser Puvis de Chavanne war eben die Ausnahme, wenn man be-
denkt, daß eine Aktstudie von Delacroix nur mit 36oo Francs bewertet wurde und eines
der stärksten Pastelle von Degas nur mit 5oooo Francs. Als 1912 die Sammlung Rouart
ausgeboten wurde, gingen „Die Tänzerinnen an der Stange“, die I )egas einst für 5oo Francs
hergegeben hatte, auf nicht weniger als auf 435 000 Francs. Natürlich sind auch Unter-
schiede zwischen Qualität und Qualität. Aber das Abflauen der Degas-Preise war immer-
hin bezeichnend für die Stimmung des Pariser Markts.
Die Reserve, die sich der deutsche Kunstmarkt während des Monats Januar auferlegt hat —
der Dollar, der am 2. Januar 1928 auf 7260 stand, stieg bis 3t. Januar auf 49000 — er-
streckte sich namentlich auf Berlin und auf München. In Frankfurt a. M. riskierte aber
schon Rudolf Bangel (‘ine größere Versteigerung: die der Taschenuhrensammlung Kom-
merzienrat Kretzschmar-Berlin. 51 Stücke waren es, und die Gesamtsumme, die sie
brachten, betrug, ohne das Aufgeld von i5 Prozent, fast 4o Millionen Papiermark. Das
waren am 16. Januar allerdings nicht einmal 10000 Goldmark. Da aber die Mehrzahl
der Kunstfreunde damals selbst die Papiermillionen, wie der Berliner sagt, nicht allzu
„dick“ hatten, mochte man es schon für einen „großen“ Preis halten, daß eine Gold-
 
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