Der Kunstmarkt 1928/24 71
wohl behaupten, daß eine ähnliche Summe bis dahin noch niemals für ein Bild von
Manet gezahlt worden war. Allerdings zählt Manets Bild „Le hon Bock“, das das gleich-
namige Werk Courbets künstlerisch weit übertrifft, zu den Hauptwerken des Impressi-
onistenmeisters: es kam aus der Sammlung Faure, ans der auch Franz und Robert von
Mendelssohn in Berlin zwei Bilder des Künstlers erworben hatten. Was nun deutsche
Museen in den letzten zwanzig Jahren für die Bilder des Künstlers geboten haben, möchte
ich nicht erwähnen; ich will bloß mitteilen, daß unter den prominenten Manets „Die
Musikstunde“ der Sammlung Rouart 1912 in Paris 120000 Francs eintrug, und daß ein
Jahr darauf in der Auktion Nemes die „Rue de Berne“ für 70000 Francs vom Baron
Herzog in Budapest angekauft worden ist, während in derselben Auktion Manets „Gle-
menceau“ nur 5ooo Francs erzielte. Freilich verlor die Galerie Arnhold mit „Le hon
Bock“ eins ihrer stärksten Werke — Manets „Desboutin“ *) (bei Arnhold) steht meines
Erachtens künstlerisch noch höher — doch der Besitzer, den Wilhelm von Bode in
meinem „Kunstwanderer“* 2) „unseren bedeutendsten und glücklichsten Sammler von
neuen Bildern, deutschen wie französischen“ genannt hat, ist so reich an Qualitäten der
modernen Kunst, daß er diesen für den erwähnten Wohlfahrtszweck veranstalteten Ver-
kauf des französischen Bildes bald verschmerzen konnte.
Ob übrigens Manets „Le hon Bock“ glücklich in Amerika gelandet ist — aus Paris sollte
er, wie es hieß, dorthin verfrachtet werden — weiß ich nicht. Amerika ist und bleibt
eben die große Sehnsucht des europäischen Kunsthandels. Wenn auch die zweite Hälfte
der Kunstsaison 1922 unter einer Übersättigung gelitten hat, die keine günstigen Amerika-
Perspektiven für 1928 eröffnete, so ließen sich die ersten Monate von 1928 doch besser
an, als man anzunehmen geneigt war. Die Stimmung in New York war, wie mir aus den
Kreisen des internationalen Kunsthandels mitgeteilt wurde, fester geworden, namentlich
für die alten Meister, was auch die Tatsache bewies, daß eine Ausstellung alter Kunst,
die in den Anderson-Galleries von den großen holländischen, schwedischen und deut-
schen Kunsthäusern wie .1. Goudstikker, Axel Beskow, Paul Bottenwieser u. a. beschickt
war, viel Beachtung gefunden hat. Und auch das Auktionswesen florierte in Amerika
1928 stärker als im vergangenen Jahre. Daß in der Auktion der Lamm-Kollektion aus
dem Naesby-Besitz bei Stockholm (21.-28. Februar) ein jugendliches Selbstbildnis Rem-
brandts 31000 Dollar erhielt, wurde als das Zeichen betrachtet, daß sich die Preise für
alte Meister, die 1922 nachgelassen hatten, etwas erholt zu haben schienen. Und daß die
Duveens, die den amerikanischen Kunstmarkt beherrschen, zwölf frühe Italiener der
William Salomon-Kollektion in New York, darunter Bellini, Pinturicchio, den Palma
Vecchio, der 1912 bei Lepke, Berlin, in der Auktion Weber versteigert worden war, für
9 Siehe: Donath „Technik des Kunstsammelns“, Berlin iga5.
2) Siehe: Bode „Die älteren Privatsammlungen in Berlin und die Bildung neuer Sammlungen nachdem Kriege
1870“. Der Kunstwanderer, Berlin 1922. 2. Augustheft, 1. und 2. Septemberheft.
wohl behaupten, daß eine ähnliche Summe bis dahin noch niemals für ein Bild von
Manet gezahlt worden war. Allerdings zählt Manets Bild „Le hon Bock“, das das gleich-
namige Werk Courbets künstlerisch weit übertrifft, zu den Hauptwerken des Impressi-
onistenmeisters: es kam aus der Sammlung Faure, ans der auch Franz und Robert von
Mendelssohn in Berlin zwei Bilder des Künstlers erworben hatten. Was nun deutsche
Museen in den letzten zwanzig Jahren für die Bilder des Künstlers geboten haben, möchte
ich nicht erwähnen; ich will bloß mitteilen, daß unter den prominenten Manets „Die
Musikstunde“ der Sammlung Rouart 1912 in Paris 120000 Francs eintrug, und daß ein
Jahr darauf in der Auktion Nemes die „Rue de Berne“ für 70000 Francs vom Baron
Herzog in Budapest angekauft worden ist, während in derselben Auktion Manets „Gle-
menceau“ nur 5ooo Francs erzielte. Freilich verlor die Galerie Arnhold mit „Le hon
Bock“ eins ihrer stärksten Werke — Manets „Desboutin“ *) (bei Arnhold) steht meines
Erachtens künstlerisch noch höher — doch der Besitzer, den Wilhelm von Bode in
meinem „Kunstwanderer“* 2) „unseren bedeutendsten und glücklichsten Sammler von
neuen Bildern, deutschen wie französischen“ genannt hat, ist so reich an Qualitäten der
modernen Kunst, daß er diesen für den erwähnten Wohlfahrtszweck veranstalteten Ver-
kauf des französischen Bildes bald verschmerzen konnte.
Ob übrigens Manets „Le hon Bock“ glücklich in Amerika gelandet ist — aus Paris sollte
er, wie es hieß, dorthin verfrachtet werden — weiß ich nicht. Amerika ist und bleibt
eben die große Sehnsucht des europäischen Kunsthandels. Wenn auch die zweite Hälfte
der Kunstsaison 1922 unter einer Übersättigung gelitten hat, die keine günstigen Amerika-
Perspektiven für 1928 eröffnete, so ließen sich die ersten Monate von 1928 doch besser
an, als man anzunehmen geneigt war. Die Stimmung in New York war, wie mir aus den
Kreisen des internationalen Kunsthandels mitgeteilt wurde, fester geworden, namentlich
für die alten Meister, was auch die Tatsache bewies, daß eine Ausstellung alter Kunst,
die in den Anderson-Galleries von den großen holländischen, schwedischen und deut-
schen Kunsthäusern wie .1. Goudstikker, Axel Beskow, Paul Bottenwieser u. a. beschickt
war, viel Beachtung gefunden hat. Und auch das Auktionswesen florierte in Amerika
1928 stärker als im vergangenen Jahre. Daß in der Auktion der Lamm-Kollektion aus
dem Naesby-Besitz bei Stockholm (21.-28. Februar) ein jugendliches Selbstbildnis Rem-
brandts 31000 Dollar erhielt, wurde als das Zeichen betrachtet, daß sich die Preise für
alte Meister, die 1922 nachgelassen hatten, etwas erholt zu haben schienen. Und daß die
Duveens, die den amerikanischen Kunstmarkt beherrschen, zwölf frühe Italiener der
William Salomon-Kollektion in New York, darunter Bellini, Pinturicchio, den Palma
Vecchio, der 1912 bei Lepke, Berlin, in der Auktion Weber versteigert worden war, für
9 Siehe: Donath „Technik des Kunstsammelns“, Berlin iga5.
2) Siehe: Bode „Die älteren Privatsammlungen in Berlin und die Bildung neuer Sammlungen nachdem Kriege
1870“. Der Kunstwanderer, Berlin 1922. 2. Augustheft, 1. und 2. Septemberheft.