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Der Kunstmarkt 1928/24

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„Salonporträtisten“ zählte, nicht weniger als 147
Pfund erzielt hat. Es handelte sich zwar um kein
„Porträt“, sondern um ein Stilleben des Malers,
aber die 147 Pfund bedeuteten eben 73 Millionen
Papiermark, für die man kurze Zeit nachher, am
10. Juli, da der Dollar schon auf mehr als 180000
gesprungen war, bei Hugo Helbing in München
gleich mehrere und weitaus wertvollere Bilder er-
halten konnte.
München war im übrigen in der ersten Hälfte des
Kunstmarktjahres 1928 nicht so lebhaft hervorge-
treten wie sonst. Der Kunsthandel florierte zwar
und hatte ständige Fühlung mit dem des Auslandes,
aber die Auktionen bei Hel hing machten infolge
der Inflationskalamitäten nur wenig von sich reden.
Die markantesten Versteigerungen, die gleichzeitig
eine Art Ausklang der ersten Halbjahrsaison des
deutschen Kunstmarktes waren, sind die der Samm-
lungen von Exzellenz W. K. Roentgen, dem Ent-
deckerder Röntgenstrahlen, gewesen. Röntgen war
zwar keiner von den Sammlern großen Stils, aber
immerhin ein Kunstfreund von Geschmack und


Abb. 28. Johann Peter Melchior. Büste
des Mainzer Erzbischofs Emmerich Joseph
von Breidbach

Kunstverstand. Er sammelte Kunstgewerbe jeg- Höchster Porzellan (1770), Versteigerung bei Math,
i-i i , 111 J I>’1 I • Lempertz, Köln, Mitte Juni Preis 70 Millionen
heuer Art und nebenher moderne Bilder, war eine 1 ’ . ’ . , ; ’ ,, '
rapiermark = rund 4OO,> Goldmark
von jenen genialen Naturen, die jederzeit im Kunst-
sammeln die Ablenkung von intensivster wissenschaftlicher Arbeit gesucht und auch ge-
funden haben. Wenn man aber seinen Nachlaß bei Helbing nicht so bewertet hat, wie

er es verdient hätte, so war daran nur die Not der Zeit schuld: die Zurückhaltung der
sonst kauflustigen Kunstkreise und die damit zum I eil vorhandene niedrige Einschätzung
der Kunstwerte.

So konnte man in der Röntgen-Auktion, die am 19. Juni mit den kunstgewerblichen
Dingen begonnen hat (Dollarstand: 140000) und am 10. Juli mit den modernen Bildern
(bei einem Dollarstand von i865oo) fortgesetzt wurde, gute alte Möbel billig kaufen.
Ein Ulmer Schrank (um i65o) kostete 3200000, ein großer Schrank aus Nußbaumholz
mit Intarsien um 1720) 10 Millionen, eine französische Kastenstanduhr von 1780 72
Millionen Papiermark. Und die Preise für Perserteppiche waren: großer Perser (5oo:35o)
polygones schwarzes und weißes Medaillon mit Füllmuster 34 Millionen, Perser(i88: 134)
mit vier Ovalmedaillons mit Blumenvasen 24V2 Millionen, Kasak (210:160) 16 Millionen,
 
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