Zwei mittelalterliche Gemäldecyklen im Canton Graubündten.
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auf einem Theilsäulchen gekuppelten Spitzbogenfenstern, die auf allen vier
Seiten unter dem Helme angebracht sind. Daneben an der südlichen
Langseite des Schiffes sind noch die Spuren alter Wandgemälde sichtbar:
die Kolossalfigur des hl. Christophorus und der ritterliche St. Georg, der
zu Pferd mit eingelegter Lanze auf den Lindwurm anstürmt. Der Chor
ist viereckig, nackt und kahl, wie das übrige Gebäude. Die Kirche, die
schon ihrer Lage wegen, jeder Unbill von Wind und Wetter preisgegeben
ist, befindet sich in einem kläglichen Verfall. Es scheint daher hoch an
der Zeit derselben eine gründliche und wiederholte Aufmerksamkeit zuzu-
wenden, denn sie enthält eine Summe von Wandmalereien, wie man sie
umfangreicher, hier zu Lande wenigstens, selten finden dürfte*). An
verschiedenen Orten ist denn auch derselben gedacht worden**); die ein-
gehende Schilderung und eine fachmässige Würdigung des Ganzen hat
indessen bis anhin gefehlt. Auch das war beschlossen, einige Details
nach Durchzeichnungen zu veröffentlichen, allein die Dunkelheit im
Inneren und ein frostiges nasskaltes Wetter, das einen längeren Aufenthalt
in dieser Kirche nicht räthlich machte, liessen mich von diesem Vorhaben
abstehen.
Ein Meisterwerk erwarte man allerdings nicht. Die Gemälde tragen
wie die Architektur den Charakter einer ländlichen, provincialen Kunst,
an der wir mehr den Inhalt als die Form, vielleicht auch mehr die gute
Absicht als das Talent des Künstlers zu würdigen haben.
Der Inhalt der meisten Gemälde ist dem neuen Testamente ent-
lehnt. Aus dem alten Bunde sind nur wenige vorbedeutende Sceuen ge-
wählt, die Schöpfungsgeschichte, das Leben der Voreltern und Noahs,
endlich Moses vor dem brennenden Dornbüsche. Dazu kommen denn im
Chorgewölbe die Brustbilder der vier Evangelisten, sowie endlich an der
Fronte des Chorbogens und an der anstossenden Nordwand eine Anzahl
Heiliger und Bilder unbekannten legendarischen Inhaltes. Die Reihenfolge
der Bilder, die oben an der westlichen Eingangseite beginnt, ist eine sehr
unregelmässige und willkürliche. Ueber einem etwa halbmannshohen Sockel,
der mit Blumengewinden bemalt ist, sind die Wände ihrer Höhe nach in
•) Interessant sind u. a. die zahlreichen an den Wänden eingekratzten Namen
von Besuchern. Es finden sich darunter mehrere aus der Mitte des XVII. Jahrhds.,
ja sogar ein Name mit dem Datum 1501.
*•) Eine kurze aber unvollständige Aufzählung der Bilder giebt A. Niischeler,
die Gotteshäuser der Schweiz II. Heft, Zürich 1864 S. 55., und hierauf Bezug nehmend
hat Dr. Ferd. Keller im 10. Jahrgange des Anzeigers für Schweiz. Geschichte und
Alterthumskunde, Nr. 4 pag. 73, noch mehrere willkommene Aufschlüsse mitgetheilt.
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auf einem Theilsäulchen gekuppelten Spitzbogenfenstern, die auf allen vier
Seiten unter dem Helme angebracht sind. Daneben an der südlichen
Langseite des Schiffes sind noch die Spuren alter Wandgemälde sichtbar:
die Kolossalfigur des hl. Christophorus und der ritterliche St. Georg, der
zu Pferd mit eingelegter Lanze auf den Lindwurm anstürmt. Der Chor
ist viereckig, nackt und kahl, wie das übrige Gebäude. Die Kirche, die
schon ihrer Lage wegen, jeder Unbill von Wind und Wetter preisgegeben
ist, befindet sich in einem kläglichen Verfall. Es scheint daher hoch an
der Zeit derselben eine gründliche und wiederholte Aufmerksamkeit zuzu-
wenden, denn sie enthält eine Summe von Wandmalereien, wie man sie
umfangreicher, hier zu Lande wenigstens, selten finden dürfte*). An
verschiedenen Orten ist denn auch derselben gedacht worden**); die ein-
gehende Schilderung und eine fachmässige Würdigung des Ganzen hat
indessen bis anhin gefehlt. Auch das war beschlossen, einige Details
nach Durchzeichnungen zu veröffentlichen, allein die Dunkelheit im
Inneren und ein frostiges nasskaltes Wetter, das einen längeren Aufenthalt
in dieser Kirche nicht räthlich machte, liessen mich von diesem Vorhaben
abstehen.
Ein Meisterwerk erwarte man allerdings nicht. Die Gemälde tragen
wie die Architektur den Charakter einer ländlichen, provincialen Kunst,
an der wir mehr den Inhalt als die Form, vielleicht auch mehr die gute
Absicht als das Talent des Künstlers zu würdigen haben.
Der Inhalt der meisten Gemälde ist dem neuen Testamente ent-
lehnt. Aus dem alten Bunde sind nur wenige vorbedeutende Sceuen ge-
wählt, die Schöpfungsgeschichte, das Leben der Voreltern und Noahs,
endlich Moses vor dem brennenden Dornbüsche. Dazu kommen denn im
Chorgewölbe die Brustbilder der vier Evangelisten, sowie endlich an der
Fronte des Chorbogens und an der anstossenden Nordwand eine Anzahl
Heiliger und Bilder unbekannten legendarischen Inhaltes. Die Reihenfolge
der Bilder, die oben an der westlichen Eingangseite beginnt, ist eine sehr
unregelmässige und willkürliche. Ueber einem etwa halbmannshohen Sockel,
der mit Blumengewinden bemalt ist, sind die Wände ihrer Höhe nach in
•) Interessant sind u. a. die zahlreichen an den Wänden eingekratzten Namen
von Besuchern. Es finden sich darunter mehrere aus der Mitte des XVII. Jahrhds.,
ja sogar ein Name mit dem Datum 1501.
*•) Eine kurze aber unvollständige Aufzählung der Bilder giebt A. Niischeler,
die Gotteshäuser der Schweiz II. Heft, Zürich 1864 S. 55., und hierauf Bezug nehmend
hat Dr. Ferd. Keller im 10. Jahrgange des Anzeigers für Schweiz. Geschichte und
Alterthumskunde, Nr. 4 pag. 73, noch mehrere willkommene Aufschlüsse mitgetheilt.