einer allgememen Bauformenlehre.
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Einklange. Der Nitter des Mittelalters in seiner malerischen Eisenrüstui g
hätte jeden Augenblick als Standbild in einer der Kirchen verwendct
werden können; sa selbst der mit dem Chapeaubas, Schuhen und Strüm-
pfen und der Allongenperücke einherschreitende Modemann unter Ludwig
XlV. und XV. stimmte vortrefflich zu Gebäuden im Rococco. Diete
Thatsachen wird Niemand leugnen, aber was bietet uns die Gegenwart—
in dicser Hinsicht? — gerade das entschiedenste Gegentheil. — Jedes Ge-
bäude hat einen andern Zuschnitt, die Geräthe wechseln in ihnen wo-
möglich alle halbe Jahre, ohne mit denselben in irgend einem Zusam-
menhange der Form zu stehen; und unsere Tracht vollends nt von der
Art, daß wohl Niemand einen Move-^lepen als Statue auf einem Denk---'
male oder in einer Kirche sehen möchrev
Jn der Gesammtheit des Formeneinklanges 'aber
beruhtunbestritten die Schönheit des Bauwerkes, und
welche Worterklärung man dafür sonst immer erfinden
möchte, man wird stets sehen, daß nur darin der geistige
Genuß, welchen der Anblick eines Gebäudes gewährr,
seine Ursache habe. Es kann demnach ein Gebäude ganz aus
dünnem Metallguß an und für sich eben so harmonisch und schön sein,
als ein Gebäude ganz aus Holz, oder ein mit Steinguadern aufge-
führtes.
Jn der jetzigen Zeit stnd wir zwar so weit gelangt, den Formen-
einklang der früheren Baustyle zu begreifen, und erforderlichen Falles die-
selben nachahmen zu können; allein zur selbstschöpferischen Erstndung har-
monischer Bauwerke haben sich nur Wenige erhoben, und ihre Schöpfun-
gen stehen auch mehr nur als vereinzelte Beweise da, daß auch unter
uns der Genius noch nicht gänzlich unrergegangen ist, als daß dadurch
für die Kunst eine bestimmte Richtung zu einem erhabenen Ziele hin
gewonnen wäre. -
Wo soll aber eine solche bestimmte Kunstrichtung und der unmittel-
bar daraus erfolgende gemeinsame Baustyl Herkommen? — Wenn die
geistigen Ansichten über Religion und Leben nach allen Seiten hin zer-
spittern, und das Bestehende, wenn ste es nicht umzustürzen im Stande
sind, wenigstens mit Spott und Hohn verfolgen, so kann es nicht anders
sein, als daß in der Kunst ebenfalls eine allgemeine Zersplitterung und
der Mangel eines geistigen Zieles stch zeigen muß, und daß wir uns
nothdürftig und kümmerlich die baulichen Brocken von den reichbesetzten
Kunsttafeln unserer Vorfahren auslesen müssen, um unsere künftlerische
Nothdurft zu befriedigen, anstatt selbst zu schaffen.— Deshalb haben
wir bei den Neubauten unserer Zeit meistentheils das Gefühl, als wenn
M cnzcl, Jahrb. d. Bauk. 2. Bd. 7
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Einklange. Der Nitter des Mittelalters in seiner malerischen Eisenrüstui g
hätte jeden Augenblick als Standbild in einer der Kirchen verwendct
werden können; sa selbst der mit dem Chapeaubas, Schuhen und Strüm-
pfen und der Allongenperücke einherschreitende Modemann unter Ludwig
XlV. und XV. stimmte vortrefflich zu Gebäuden im Rococco. Diete
Thatsachen wird Niemand leugnen, aber was bietet uns die Gegenwart—
in dicser Hinsicht? — gerade das entschiedenste Gegentheil. — Jedes Ge-
bäude hat einen andern Zuschnitt, die Geräthe wechseln in ihnen wo-
möglich alle halbe Jahre, ohne mit denselben in irgend einem Zusam-
menhange der Form zu stehen; und unsere Tracht vollends nt von der
Art, daß wohl Niemand einen Move-^lepen als Statue auf einem Denk---'
male oder in einer Kirche sehen möchrev
Jn der Gesammtheit des Formeneinklanges 'aber
beruhtunbestritten die Schönheit des Bauwerkes, und
welche Worterklärung man dafür sonst immer erfinden
möchte, man wird stets sehen, daß nur darin der geistige
Genuß, welchen der Anblick eines Gebäudes gewährr,
seine Ursache habe. Es kann demnach ein Gebäude ganz aus
dünnem Metallguß an und für sich eben so harmonisch und schön sein,
als ein Gebäude ganz aus Holz, oder ein mit Steinguadern aufge-
führtes.
Jn der jetzigen Zeit stnd wir zwar so weit gelangt, den Formen-
einklang der früheren Baustyle zu begreifen, und erforderlichen Falles die-
selben nachahmen zu können; allein zur selbstschöpferischen Erstndung har-
monischer Bauwerke haben sich nur Wenige erhoben, und ihre Schöpfun-
gen stehen auch mehr nur als vereinzelte Beweise da, daß auch unter
uns der Genius noch nicht gänzlich unrergegangen ist, als daß dadurch
für die Kunst eine bestimmte Richtung zu einem erhabenen Ziele hin
gewonnen wäre. -
Wo soll aber eine solche bestimmte Kunstrichtung und der unmittel-
bar daraus erfolgende gemeinsame Baustyl Herkommen? — Wenn die
geistigen Ansichten über Religion und Leben nach allen Seiten hin zer-
spittern, und das Bestehende, wenn ste es nicht umzustürzen im Stande
sind, wenigstens mit Spott und Hohn verfolgen, so kann es nicht anders
sein, als daß in der Kunst ebenfalls eine allgemeine Zersplitterung und
der Mangel eines geistigen Zieles stch zeigen muß, und daß wir uns
nothdürftig und kümmerlich die baulichen Brocken von den reichbesetzten
Kunsttafeln unserer Vorfahren auslesen müssen, um unsere künftlerische
Nothdurft zu befriedigen, anstatt selbst zu schaffen.— Deshalb haben
wir bei den Neubauten unserer Zeit meistentheils das Gefühl, als wenn
M cnzcl, Jahrb. d. Bauk. 2. Bd. 7