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Jahrbuch der Baukunst und Bauwissenschaft in Deutschland — 4.1847

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Menzel, Carl August: Bemerkungen über die Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.19239#0066
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56

Bemerkungen

wenn nicht der mächtigste nller Kunsthebel, der Re l i g i o n s - Cu l t u s,
es zu bewirken vermocht hätte. —

Es hatte sich im 14. und 15. Jahrhundert daselbst ein eigner Styl
aus diesen Elementen gebildet, welchen man gewöhnlich den hanseatischen
nennt, und welcher in den alten Gebäuden von Lubeck, Wismar, Rostock,
Stralsund, Greifswald, Stettin, Danzig, Königsberg und Memel sicht-
bar ist.

Da den ganzen Ostseestrand keine Gebirge begränzen, und der, ob-
gleich uberall leicht aus dem Meere zu holende Granit zu theuer bei der
Bearbeitung ausfällt, so hat man durchweg gebrannte Mauersteine als
Hauptbaumaterial verwendet, und nur etwa die Plynthen der Gebäude,
auch wohl in seltnen Fallen andere einzelne Theile derselben, in Granit
oder in dem im Aeußern viel weniger haltbaren schwedischen Kalksteine
ausgesührt. Nebenbei aber sindet man namentlich viele Dorskirchen, wel-
che in den Umfafsungs - Mauern aus runden, rohen Feldsteinen, nur um
das dringendste Bedurfniß zu befriedigen, ausgemauert sind, die aber in
der Regel Giebel von Mauersteinen haben, nicht aber, weil man dadurch
eine feinere Form erzielen wollte, sondern lediglich deshalb, weil die Giebel
von runden Granitsteinen, bei ihrer Höhs und geringen Stärke, nicht
haltbar gewesen wären. Auch den unteren Theil kleiner Kirchen-Thürme,
sindet man theils von runden, theils von unregelmäßig gesprengten Gra-
nitblöcksn erbaut. Wenn letztere Construction einigermaßen sorgsam aus-
geführt wird, sieht sie sehr gut aus, da uns sogleich ihre ewige Dauer
(wie an den sogenannten Cyclopen-Mauern) bei der Beschauung ein-
leuchtet.

Aus dem Gesagten ergiebt sich demnach, daß diese nördlichen Gegen-
den, selbst zur Zeit, wo ihre künstlerische Begeisterung den höchst möglichen
Grad erreicht hatte, doch nicht vermögend waren, sich zu irgend einem be-
deutenden Grade von Anmuth zu erheben, was wir gewöhnlich Grazie
nennen; sondern daß das mmschlich Nützliche immer die Oberhand behielt.
Wenn auch hin und wieder, namentlich als angebaute Kapellen oder in
Grabmonumenten, reichere und zierlichere Schöpfungsn der Art vorkom-
men, oder aus ihren Ruinen noch erkennbar si'nd, so sind das höchst ein-
zelne Ausnahmen, und diese bestimmen keinesweges das Volksthümliche
der ganzen Anordnung, welche sich vorzugsweise auf Festigkeit und Dauer
beschränkte. —

Der Einfluß italienischer und französischer Kunst ist wenig oder gar
nicht bemerkbar, wenn nicht etwa hin und wieder eine Kirche oder ein altes
Rathhaus auf das allerscheußlichste dadurch ergänzt worden ist. — Man
dachte seit der Reformation gar nicht daran, neue offentliche Gebäude zu
 
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