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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 18.1897

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Abhandlungen
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Schlosser, Julius von: Die ältesten Medaillen und die Antike
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https://doi.org/10.11588/diglit.5779#0090
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Die ältesten Medaillen und die Antike.

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Gewöhnlich gilt der Veronese Vittore Pisano (gest. um 1450) als der Vater der modernen Medaille
und dieser Ruhm wird ihm kaum genommen werden können. Doch ist Pisanello's älteste uns be-
kannte Medaille auf den vorletzten Griechenkaiser Johannes Palaeologus nicht das erste Beispiel
dieser Art; vielmehr gehen ihr einige historisch ausserordentlich interessante Versuche voraus, die
erst in neuester Zeit durch urkundliche Nachrichten eine gesicherte Stellung in der Geschichte er-
halten haben.

Die beiden hier zunächst zu behandelnden Objecte führen uns an den glänzenden und gelehrten
Ritterhof der Carrara in Padua, von dem in den Blättern dieses Jahrbuches bereits zu wiederholten
Malen die Rede war.1

Francesco I. da Carrara, il Vecchio, Herr von Padua und Treviso, dessen Herrschaft sich bis in
die Lagune nach Chioggia und bis ins Gebirge nach Feltre, Belluno und Cividale erstreckte, der
Gönner und Freund Petrarca's, der unter seinem Schutze zu Arquä die letzte Heimstätte auf Erden
fand, war nach unzähligen Fehden mit Oesterreich, mit Friaul, mit den Scaligern von Verona und mit
Venedig i388 in die Hände seines gefährlichsten Feindes, des hinterlistigen Gian Galeazzo Visconti
von Mailand gefallen, der ihn in ehrenvoller Gefangenschaft hielt. Indessen änderte sich die Sachlage
völlig, etwas Gewöhnliches in jenen unruhigen Zeiten, in denen nichts Bestand zu haben schien. Dem
Sohne des alten Carrara, Francesco II. Novello, gelang es mit Hilfe deutscher Miethstruppen und mit
Zustimmung der Republik von San Marco, die das Anwachsen der mailändischen Macht mit scheelem
Auge sah, am ig. Juni i3go Padua wieder zu gewinnen. Der alte Francesco wurde aber nicht mehr
seiner Haft entlassen; er starb am 5. October i3g3 zu Monza. Mit fürstlichen Ehren ward sein balsa-
mirter Leichnam vom Visconti bis Mantua begleitet, wo ihn Francesco Novello in Empfang nahm und
unter grossartigem Trauergepränge im Dome beisetzen Hess.2

Die Freundschaft mit Venedig dauerte nicht lange. Für die Republik war es ein Gebot der Selbst-
erhaltung, das Hinterland ihrer Lagunenflüsse zu besitzen; der Kampf entbrannte aufs Neue und am
22. November 1405 ergab sich die Stadt Padua, um von nun an für immer die Geschicke Venedigs zu
theilen. Das traurige Ende Francesco II. und seiner beiden Söhne ist bekannt; sie wurden heimlich,
im Kerker, auf Befehl des Consiglio dei Dieci erdrosselt, wider alles Recht, selbst gegen die Sitte jener
grausamen Zeiten. Die Politik der Handelsherren zeigt sich im rechten Lichte; wie ritterlich war selbst
der tückische Gian Galeazzo gegen den gefangenen Francesco I. verfahren, der freilich sein Standes-
genosse war.

Die eben erzählten historischen Ereignisse werden von zwei merkwürdigen Medaillen dieser Zeit
illustrirt, den ältesten, die nach der römischen Kaiserzeit wieder in Italien geprägt worden sind. Ich
gebe eine genaue Beschreibung der beiden Exemplare, die sich in der Sammlung des Allerhöchsten
Kaiserhauses befinden.

1. cRRÄHGISGI°DÖ° °GJ£RR7£RIK° Antikisirende bartlose Büste des älterem?) Fran-
cesco I., mit Paludamentum, n. 1., Perlenrand (Taf. XXI, 2).

Rev. 1390. DIQ 0 19 0 IVHII 0 €T • G' • RGGVPQR • KVIT ° PKDYKM 0 ST 0 G'° Das redende
Wappen des Hauses Carrara, der Carro, in der herkömmlichen heraldischen Form, innerhalb eines
Lilienkranzes, im Felde zu beiden Seiten HR.3 Perlenrand. Trefflicher alter Abguss nach einem ge-
prägten Exemplar4 (Taf. XXI, 3).

Bronze, 34 Mm. 22-64 gr.

2. GHI6IGS • DNI • RRRHGISGI ■ IVHIORIS D1 • GäRäRIä ■ PäD>: Antikisirende bart-
lose Büste des Francesco Novello, n. r., Perlenrand (Taf. XXI, 1).

1 Siehe Jahrbuch XVI, i3 f. und XVII, i83 f.

2 Cittadella, Storia della dominazione Carrarese in Padova, Padua 1842, II, 249 fr.

3 Ebenso auf den Münzen; s. Vera, Delle monete di Padova in G. A. Zanetti's Nuova raccolta dellc monete e zecche
d'Italia, Bologna 1783, III, 38; ff.

4 Ein kleiner Prägefehler der Vorderseite (die Perlenschnur über dem Kopfe des Francesco ist durch einen Doppel-
schlag zweimal gekommen) ist ganz deutlich zu erkennen.

XVIII. g
 
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