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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 19.1898

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Abhandlungen
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Hermann, Hermann Julius: Miniaturhandschriften aus der Bibliothek des Herzogs Andrea Matteo III. Acquaviva
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https://doi.org/10.11588/diglit.5780#0222
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200

Hermann Julius Hermann.

Zimmer steht Lucius, der Held des Romanes. Voll Zärtlichkeit umfasst er seine geliebte Fotis, die ihm
durchs Fenster ihre in eine Eule verwandelte Herrin Pamphyle zeigt. Noch sitzt sie auf dem Aste
eines Baumes aber bald wird sie zu ihrem Geliebten fliegen. Lucius möchte es auch einmal versuchen
und Fotis bringt ihm eine Salbe, welche die wundervolle Verwandlung zu Stande bringen sollte. Aber
die Wirkung war eine andere: Lucius wird in einen Esel verwandelt. Diese Verwandlung sehen wir
im linken Gemache dargestellt. Lucius steht vor einer Bank, auf der die Salbenbüchse steht, und reibt
sich mit der wunderthätigen Salbe ein. Schon hat sein rechter Fuss thierische Formen angenommen;

struppiges Haar wächst hervor und ein langer Schweif ist ihm
angewachsen; die Ohren sind länger geworden und sein Kopf
hat sich in den eines Esels verwandelt.

Trotz der ziemlich flüchtigen Ausführung übt das überaus
naive Bildchen eine anziehende Wirkung aus.

Im weiteren Verlaufe seines Romanes schildert Apuleius
all die sonderbaren Erlebnisse des in einen Esel verwandelten
Lucius. Fotis hatte ihm als Mittel zur Rückverwandlung an-
gegeben, er solle frische Rosen fressen; allein er kam nie dazu,
so günstig oft die Gelegenheit war, bis endlich Isis das Gebet
des verwandelten Lucius erhört und ihn errettet. Sie verspricht,
ihm wieder seine ehemalige menschliche Gestalt zu verleihen,
wenn er sich ihrem Dienste weihe; er solle, wenn die Priester
zur Feier des Isisfestes in einer Procession heranzögen, von dem
Rosenkranz des obersten Priesters fressen; dadurch werde er
wieder in einen Menschen verwandelt werden.
Fig. 12. Neapel, Gerolomini Nr. 23y: Diese Scene der Rückverwandlung stellt das Initialbild

Das Isisfest. des Titelblattes (Fig. 12) dar. Wir sehen im Vordergrunde einer

Berglandschaft die Procession der Isispriester, voran den Ober-
priester mit einem Rosenkranz; ihm folgen Priester mit goldenen Götterstatuetten und einem goldenen
Bilde der der Isis heiligen Kuh, dahinter ein langer Zug von Priestern; vorne links Lucius, noch als
Esel, vom Rosenkranze fressend. Da verwandelt er sich; schon hat er einen menschlichen Kopf und
der rechte Vorderfuss nimmt die Form einer Hand an.

In seiner Ausführung entspricht das kleine Bildchen vollkommen den beiden so oft genannten
Miniaturen des Cod. Phil, graec. 2 (f. 72 und f. 123); flüchtig ausgeführt, beweist es wieder die naive,
poetische Auffassung des Miniators.

Das Titelblatt mit dem eben besprochenen Initialbilde umgibt eine Randleiste. Wie oben er-
wähnt, stimmt sie fast vollkommen mit der Randleiste in der Handschrift der Rhetorik des Aristoteles
(Cod. Phil, graec. 29, f. 1); rechts ein goldener Candelaber mit Sphingen, Vasen, Delphinen u. dgl.,
links ebenfalls ein Candelaber, oben symmetrisch angeordnete Delphine zu beiden Seiten eines ge-
flügelten Köpfchens; unten endlich prächtige symmetrische goldene Renaissanceranken, die in Delphine
enden, welche in der Mitte das herzogliche Wappen (im Typus des Phil, graec. 2) umschliessen. Der
Grund ist blau, grün und roth bemalt, die Ausführung ausserordentlich sorgfältig.

Im Verlaufe der Untersuchung habe ich schon mehrfach auf die stilistische Uebereinstimmung
der Miniaturen der behandelten Handschriften mit denen der Ethik oder der Naturphilosophie hin-
gewiesen. Fassen wir unsere diesbezüglichen Beobachtungen zusammen, so können wir folgende
Gruppen 1 scheiden.

1 Hinsichtlich der Schreiber gehören folgende Codices zusammen: von Angelos Konstantinos aus Sternataja: Phil,
graec. 4 Q), Phil, graec. 1, Phil, graec. 3 (1501), Phil, graec. 29, Hist. graec. 2 (1500); von Rombertus Maioranus aus Male-
pignano: Phil, graec. 2; von Vitus in Acquaviva: Cod. 36 (1514), Gerol. Neapel Nr. 219 (1507).
 
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