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Hermann Dollmayr.
Schreck zu Boden gestürzt sind; und schliesslich eine Flucht nach Aegypten, die er zu Amsterdam sah
und die Maria auf dem Esel und im Vordergrunde Josef enthielt, der einen Bauern um den Weg
fragt, während im Hintergrunde Leute vor einer Herberge einen Bären tanzen lassen, obwohl gerade
dieses Werk noch am ehesten hätte von ihm sein können.
Leider sind auch die gewiss echten fünf Gemälde aus der Johanneskirche zu Herzogenbusch ver-
schwunden: die Erschaffung der Welt;1 die Abigail, die mit ihren Geschenken und ihrem Gefolge
bittend vor David gekommen ist, nebst Salomon, der seine Mutter verehrt; die Anbetung der Könige;
das Lager vor Bethulien mit der Ermordung des Holofernes, der Flucht und der Niederlage des assyri-
schen Heeres; sowie Mardochai mit Esther und der Triumph des befreiten Judenvolkes, die dort noch
1610 auf ihren Altären standen,2 von wo sie, wie man behauptet, erst im Jahre 162g verschleppt wor-
den seien, als die Geistlichkeit bei der Einnahme der Festung durch den Statthalter Friedrich Heinrich
die Erlaubniss erhielt, sie fortzuschaffen.3
Ferner müssen wir es mit Vorsicht aufnehmen, wenn der Canonicus Gerhard von Haen in einem
jetzt auf der Universitätsbibliothek bewahrten Collectenbuche des Bonner Münsters zum Jahre 158g
anmerkt, dass er fünf Jahre vorher ein aus Herzogenbusch stammendes Triptychon »opera quondam
Hieronimi Buschii celebris nostri temporis eo loci pictoris exquisiti artificio depictam« von einem
wegen seiner katholischen Religion vertriebenen Niederländer gekauft und auf dem Hochaltare der
genannten Kirche aufgestellt habe. Der Gegenstand des Hauptbildes sei Christi Einzug in Jerusalem
gewesen, der der Flügelbilder seine Geburt und seine Auferstehung. 1587 habe die Tafel bei der Plün-
derung durch die Schenck'schen Soldaten Beschädigungen erlitten, diese seien aber auf seine Kosten
wieder ausgebessert worden. Da sie seitdem verschollen und vielleicht durch den Kirchenbrand von
i5go zu Grunde gegangen ist,4 vermögen wir nicht zu beurtheilen, wie weit auch der Canonicus mit
seiner Behauptung Recht behält, dass er thatsächlich ein Werk unseres Meisters erworben habe.
Es kann sich hier ebenso gut um die Arbeit eines seiner zahlreichen Nachahmer handeln wie
bei den drei Bildern, die der Statthalter Erzherzog Ernst in Brüssel besass, von denen das eine in
seinem Inventare unter dem Titel »Sic erat in diebus Noe« verzeichnet wird, das zweite, am 14. De-
cember i5g4 um fl. 106.40 gekaufte, einen Crucifix mit dem Limbus und das dritte Aerzte und
Chirurgen darstellte, die beschäftigt sind, einem Kranken einen Stein aus dem Kopfe zu ziehen.5 Viel-
leicht ist das letzte Bild das jetzt im Prado Nr. 1860 befindliche, das Justi nach meiner Meinung mit
Unrecht für Bosch in Anspruch nimmt.6
Noch schlimmer steht es mit den Bildern, die sich nach Pinchart7 und Westrheene8 in Rubens'
Nachlasse vorfanden, einer Versuchung des heil. Antonius, zweier Fratzen und einer Hochzeit in der Art
des Bosch. Ich kann sie, ebensowenig wie Hymans, nicht einmal in den mir zugänglichen Verzeich-
nissen seiner Sammlung finden.
Die grösste Summe an Werken unseres Künstlers hätte, wenn wir nach den Inventaren urtheilen V
wollen, Philipp II. von Spanien zusammengebracht, der daran solchen Gefallen fand, dass er sich gerne
mit ihnen umgab, was zur Folge hatte, dass ihm eines davon, die berühmten Sieben Todsünden, in
seinen letzten Stunden, vor Augen stand. Sechs Bilder, darunter den nicht minder geschätzten Heu-
wagen, hatte er am 16. Jänner 1570 aus dem Nachlasse des Don Felipe de Quevara erworben:9 die
1 Ein grosses Bild mit der Weltschöpfung von Hieronymus Bosch sah Prof. Fr. Wickhoff vor wenigen Jahren im
venezianischen Kunsthandel; doch ist es gegenwärtig nicht mehr sichtbar, da darüber Rechtsstreitigkeiten ausgefochten
werden.
2 J. B. Gramaye, Taxandria, Bruxellae 1610, cap. VI, p. l3.
3 Th. v. Westrheene in Meyers Künstlerlexikon I, S. 91.
4 Ebenda I, S. 94.
' Compte-rendu de la Commission Royale d'histoire, Bruxelles, t. XIII, p. 141 und 115.
6 Ein zweites Bild gleichen Gegenstandes, Tempera auf Leinwand, brachte Philipp II. von Spanien am 16. Jänner
1570 aus dem Nachlasse des Don Felipe de Quevara an sich.
' A. a. O., p. 277.
8 Meyers Künstlerlexikon I, S. 94.
5 Justi, S. 141.
Hermann Dollmayr.
Schreck zu Boden gestürzt sind; und schliesslich eine Flucht nach Aegypten, die er zu Amsterdam sah
und die Maria auf dem Esel und im Vordergrunde Josef enthielt, der einen Bauern um den Weg
fragt, während im Hintergrunde Leute vor einer Herberge einen Bären tanzen lassen, obwohl gerade
dieses Werk noch am ehesten hätte von ihm sein können.
Leider sind auch die gewiss echten fünf Gemälde aus der Johanneskirche zu Herzogenbusch ver-
schwunden: die Erschaffung der Welt;1 die Abigail, die mit ihren Geschenken und ihrem Gefolge
bittend vor David gekommen ist, nebst Salomon, der seine Mutter verehrt; die Anbetung der Könige;
das Lager vor Bethulien mit der Ermordung des Holofernes, der Flucht und der Niederlage des assyri-
schen Heeres; sowie Mardochai mit Esther und der Triumph des befreiten Judenvolkes, die dort noch
1610 auf ihren Altären standen,2 von wo sie, wie man behauptet, erst im Jahre 162g verschleppt wor-
den seien, als die Geistlichkeit bei der Einnahme der Festung durch den Statthalter Friedrich Heinrich
die Erlaubniss erhielt, sie fortzuschaffen.3
Ferner müssen wir es mit Vorsicht aufnehmen, wenn der Canonicus Gerhard von Haen in einem
jetzt auf der Universitätsbibliothek bewahrten Collectenbuche des Bonner Münsters zum Jahre 158g
anmerkt, dass er fünf Jahre vorher ein aus Herzogenbusch stammendes Triptychon »opera quondam
Hieronimi Buschii celebris nostri temporis eo loci pictoris exquisiti artificio depictam« von einem
wegen seiner katholischen Religion vertriebenen Niederländer gekauft und auf dem Hochaltare der
genannten Kirche aufgestellt habe. Der Gegenstand des Hauptbildes sei Christi Einzug in Jerusalem
gewesen, der der Flügelbilder seine Geburt und seine Auferstehung. 1587 habe die Tafel bei der Plün-
derung durch die Schenck'schen Soldaten Beschädigungen erlitten, diese seien aber auf seine Kosten
wieder ausgebessert worden. Da sie seitdem verschollen und vielleicht durch den Kirchenbrand von
i5go zu Grunde gegangen ist,4 vermögen wir nicht zu beurtheilen, wie weit auch der Canonicus mit
seiner Behauptung Recht behält, dass er thatsächlich ein Werk unseres Meisters erworben habe.
Es kann sich hier ebenso gut um die Arbeit eines seiner zahlreichen Nachahmer handeln wie
bei den drei Bildern, die der Statthalter Erzherzog Ernst in Brüssel besass, von denen das eine in
seinem Inventare unter dem Titel »Sic erat in diebus Noe« verzeichnet wird, das zweite, am 14. De-
cember i5g4 um fl. 106.40 gekaufte, einen Crucifix mit dem Limbus und das dritte Aerzte und
Chirurgen darstellte, die beschäftigt sind, einem Kranken einen Stein aus dem Kopfe zu ziehen.5 Viel-
leicht ist das letzte Bild das jetzt im Prado Nr. 1860 befindliche, das Justi nach meiner Meinung mit
Unrecht für Bosch in Anspruch nimmt.6
Noch schlimmer steht es mit den Bildern, die sich nach Pinchart7 und Westrheene8 in Rubens'
Nachlasse vorfanden, einer Versuchung des heil. Antonius, zweier Fratzen und einer Hochzeit in der Art
des Bosch. Ich kann sie, ebensowenig wie Hymans, nicht einmal in den mir zugänglichen Verzeich-
nissen seiner Sammlung finden.
Die grösste Summe an Werken unseres Künstlers hätte, wenn wir nach den Inventaren urtheilen V
wollen, Philipp II. von Spanien zusammengebracht, der daran solchen Gefallen fand, dass er sich gerne
mit ihnen umgab, was zur Folge hatte, dass ihm eines davon, die berühmten Sieben Todsünden, in
seinen letzten Stunden, vor Augen stand. Sechs Bilder, darunter den nicht minder geschätzten Heu-
wagen, hatte er am 16. Jänner 1570 aus dem Nachlasse des Don Felipe de Quevara erworben:9 die
1 Ein grosses Bild mit der Weltschöpfung von Hieronymus Bosch sah Prof. Fr. Wickhoff vor wenigen Jahren im
venezianischen Kunsthandel; doch ist es gegenwärtig nicht mehr sichtbar, da darüber Rechtsstreitigkeiten ausgefochten
werden.
2 J. B. Gramaye, Taxandria, Bruxellae 1610, cap. VI, p. l3.
3 Th. v. Westrheene in Meyers Künstlerlexikon I, S. 91.
4 Ebenda I, S. 94.
' Compte-rendu de la Commission Royale d'histoire, Bruxelles, t. XIII, p. 141 und 115.
6 Ein zweites Bild gleichen Gegenstandes, Tempera auf Leinwand, brachte Philipp II. von Spanien am 16. Jänner
1570 aus dem Nachlasse des Don Felipe de Quevara an sich.
' A. a. O., p. 277.
8 Meyers Künstlerlexikon I, S. 94.
5 Justi, S. 141.