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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0080
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Max Dvorak.

sienesisch; Vermuthungen über den Meister, welche ausgesprochen wurden, lassen sich nicht belegen.
Die Fresken in der Kapelle des heil. Martial, des Schutzheiligen der Vaterstadt Clemens VI., mit Scenen
aus dem Leben des Heiligen sind, wie sich urkundlich nachweisen lässt, zum grossen Theil ein Werk
des Matteo aus Viterbo.1 Ihr sienesischer Charakter wurde bereits von Crowe und Cavalcaselle hervorge-
hoben. Sienesisch sind zum grossen Theil auch die schönen Fresken in der Chartreuse von Villeneuve.2
Es hat also ein merkwürdiger Wechsel stattgefunden. Wie die Anjous, lassen auch die Päpste
seit Benedict und Clemens toscanische Maler an ihren Hof kommen und, wie in Neapel, wurden in
erster Reihe Sienesen berufen. Wie früher aus den Kunststätten Frankreichs, übersiedelte
nun aus der Toscana eine Reihe von Künstlern und malte einen Palast, der noch heute einer
ganzen Stadt gleicht.

Mit und neben den Toscanern malten, wie wir aus urkundlichen Berichten wissen,
auch unter Benedict und Clemens in Avignon Franzosen, und zwar, wie es scheint, re-
nommirte Künstler, so Petrus Resdoli aus Vienne, Petrus Ribaut, Simonet aus Lyon u. A. Es
ist schon Crowe und Cavalcaselle und Müntz aufgefallen, dass einzelne Fresken in der
Kapelle des heil. Johannes auf den ersten Blick als das Werk eines nordischen Künstlers
erscheinen. Diese Fresken stehen jedoch den danebenstehenden toscanischen Wandmalereien
weit näher als irgendwelchen älteren französischen Wandgemälden. Die
Franzosen, welche sie malten, waren Schüler der Toscaner und haben den
toscanischen Stil übernommen, ohne jedoch die feineren Qualitäten der
italienischen Vorbilder zu verstehen und einzelne Archaismen ganz ab-
zulegen.

Wir verweilten so lange bei diesen Sachen, um die wichtige und
centrale Stellung, welche die Residenz der Päpste in dem Kunstleben des
XIV. Jahrhunderts eingenommen hat, klarzulegen.

Nun war aber Avignon auch ein Mittelpunkt des Handschriften-
handels und der Handschriftenproduction, und es lässt sich von vornehin
erwarten, dass auch in Bezug auf Bücherausschmückung fremde Errungen-
schaften in die Stadt der Päpste verpflanzt wurden und sich von da aus
weiter verbreiteten. Die ältere Entwicklung der Miniaturmalerei in der
f I28. Provence kommt wenig in Betracht. Die grösste Entfaltung des litera-

rischen Lebens in der Provence fällt in das XII. Jahrhundert, in eine Zeit
also, in welcher es noch nicht an eine grosse Handschriftenproduction gebunden war. Aus
späterer Zeit ist uns allerdings eine grosse Anzahl von illuminirten provencalischen Hand-
schriften erhalten. Bei der grossen Verbreitung der provencalischen Literatur ist es selbstver-
ständlich, dass nur ein Theil in der Provence selbst entstanden ist. Immerhin lassen sich aus
der grossen Anzahl von Handschriften Charakteristica ableiten, die für Handschriften local-
provencalischen Ursprungs bezeichnend sind. Es ergibt sich, dass im XIII. Jahrhundert die Hand-
schriftenausschmückung in der Provence, wie in dem Süden Frankreichs überhaupt, unter nordfranzö-
sischem Einflüsse steht. Wie im Norden, werden auch hier für einzelne Texte cyklische Illustrationen
erfunden, die wir bis tief in das XIV. Jahrhundert hinein aus einer Handschrift in die andere verfolgen
können. Als ein besonders typisches Beispiel nenne ich die Illustrationen des Breviari d'amor des Er-
mengar de Beziers, die in vielen Handschriften erhalten sind. Auch die ornamentale Ausschmückung
lehnt sich an jenen Stil an, welcher sich im Norden im XII. und XIII. Jahrhundert entwickelt hat.

. Initiale
-landschrift
der Biblio-
Musee Cal-

1 Photographirt von Paul Robert in Paris. Die auf Giovanni da Viterbo bezüglichen urkundlichen Nachrichten wurden
publicirt von Müntz in verschiedenen Abhandlungen: Un document inedit sur les fresques du palais des papes ä Avignon,
im Courier de l'art 1881; Sur l'auteur des fresques de la chapelle s. Martial, in Memoires de la academie de Vaucluse 1882;
Les peintres d'Avignon pendent le regne de Clement VI, im Bulletin monumental 1889, und von Denifle, Ein Quaternus
rationum des Malers Matteo Gianotti von Viterbo in Denifle-Ehrle, Archiv IV.

2 Publicirt von Müntz im Bulletin monumental 1889 und in der Gazette archeologique 1886, 1887, 1888.
 
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