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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0079
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Die Illuminatoren des Johann von Neumarkt.

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Sorgues schmückten wohl dieselben epischen Cyklen, die wir aus Handschriften und Glasgemälden
kennen.

Man würde erwarten, dass nach Vollendung der grossen Aufgaben das Zuströmen der Künstler
nach Avignon aufhörte; doch es geschieht etwas, was im Mittelalter kaum glaubwürdig erscheint.

Der mit so grossem Aufwände erst vollendete Palastbau Johanns in Avignon genügt seinen Nach-
folgern nicht und man begnügte sich nicht mit Zubauten sondern gleich Benedict XII. lässt den Palast
seines Vorgängers zum grössten Theile abtragen und einen neuen anlegen. Es ist der jetzige Bau, von
dem unter Benedict die nördlichen Theile ausgeführt wurden. Unter Clemens wurde der südliche
Theil erbaut, welcher den grossen Consistoriumsaal enthält. Die Architekten waren wiederum Pro-
vencalen. Es entstand ein Bau, der in seinen Dimensionen an die grossen Kathedralen des XIII. Jahr-
hunderts erinnert. Und wieder kennen wir lange Listen von Künstlern, denen die Ausmalung des
neuen Baues anvertraut wurde.1 Aus den Jahren i33s—1336 allein sind uns gegen fünfzig Namen
bekannt. Es war eine neue Generation; denn nur zum geringen Theil sind Maler darunter, welche an
der Ausmalung des alten Baues gearbeitet hatten. Und es handelte sich nicht nur um einen Personen-
wechsel. Während die Sculpturen, Glasgemälde und Teppiche wie früher bei französischen Meistern
bestellt werden, lässt man Maler aus Italien kommen.2 Im Jahre i336 malten in dem päpstlichen
Palaste ein Dotho aus Siena, ein Jacobo di Niccolo, ein Giovanni aus Cornale, ein Piero di Lippo,
ein Philippo di Celo, ein Robino aus Rom. Im Winter i33g übersiedelte Simone Martini mit seinem
Bruder Donato nach Avignon, wo er bekanntlich im Jahre 1344 gestorben ist. Gleichzeitig mit Simone
und nach seinem Tode arbeitet in Avignon »une pleiade d'artistes ultramontanes«, wie sich Müntz
ausdrückt. Mit der Ausmalung der Gemächer des Papstes wurden in den Jahren 1343—1345 Giovanni
und Riccio aus Arezzo und Niccolo aus Florenz betraut. Im Jahre 1344 wurden die Gemälde einer
Wand der sogenannten grossen Kapelle im Norden des Palastes dem Giovanni di Luca aus Siena über-
tragen. In derselben Kapelle, ferner in den Kapellen des heil. Michael, Mathias, Martial und in dem
neuen Consistorium malten Pietro und Matteo di Giovanetto aus Viterbo, von denen der letztere der
bedeutendste Künstler in Avignon nach dem Tode Simones gewesen zu sein scheint. Von anderen
Italienern, die in der Burg malten, kennen wir nur die Namen.

Von den Werken dieser Künstler ist uns noch Einiges erhalten, freilich in jämmerlichem Zu-
stande. Es sind dies die Fresken in den Kapellen des heil. Johannes und Martial. Die ersteren sind
die älteren. In zwei arg zerstörten Cyklen ist da das Leben Johannes des Täufers und Johannes des
Evangelisten dargestellt. Ausser den Fresken des Simone Martini am Porticus von Notre-Dame des
Domps sind es die bedeutendsten Wandmalereien, die sich in Avignon erhalten haben.3 Sie sind von
italienischen und französischen Schülern des Simone.

Als ein ^Verk des Simone wurde früher die Ausmalung des grossen Consistoriumsaales betrachtet.
Doch Ehrle hat nachgewiesen, dass der Bau. des Saales erst im Jahre 1344 begonnen wurde.4 Der un-
geheure Raum, welcher heute in zwei Stockwerke getheilt ist, war ganz ausgemalt.3 Soweit aus den
erhaltenen Beschreibungen geschlossen werden kann, war in dem Gerichtssaale das letzte Gericht dar-
gestellt, dann Propheten, Heilige und Päpste. Spätere Schriftsteller erwähnen des Saales mit Aus-
drücken der grössten Bewunderung. Erhalten haben sich nur einige Prophetengestalten. Sie sind

1 Zusammengestellt von Müntz, Les peintures de Simone Martini ä Avignon in Memoires de la Societe' nationale des
antiquaires de France 1884, p. 67 ff., und Les peintres d'Avignon pendant le regne de Clement VI. im Bulletin monu-
mental 1884.

2 Alle Nachrichten über den Aufenthalt Giottos in Avignon dürften auf die Stelle eines Dantecommentars zurückgehen,
in der unter den Orten, an welchen sich Werke Giottos befinden, auch Avignon genannt wird. Auf Grund dieser Nachricht
construirte Vasari die unmögliche Reise Giottos nach Avignon unter Clemens V., Albertini, Piatina u. A. die Berichte über
die beabsichtigte Berufung durch Benedict XI. und XII.

3 Photographirt von Paul Robert. Reproductionen im Bulletin monumental 1889 und in der Gazette archeo-
logique 1886.

4 Historia bibliothecae Romanorum pontificum 675 ff.

5 Die Gemälde waren noch am Anfange des XIX. Jahrhunderts zu sehen.
 
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