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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 22.1901

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I. Theil: Abhandlungen
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Dvořák, Max: Die Illumination des Johann von Neumarkt
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https://doi.org/10.11588/diglit.5948#0084
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Max Dvofäk.

als die präpotentere erwiesen hat. Eine nothwendige Consequenz ist die Frage, ob, wie in Neapel, auch
in Avignon aus diesem Zusammenfliessen von verschiedenen Werkstattüberlieferungen ein neuer

Schulstil entstanden ist.

Leider verlässt mich für die nächstfolgenden Jahre das Material,
welches sicher eine unmittelbare Bejahung der Frage gestatten würde.
Wir müssen uns mit folgenden Handschriften behelfen:

1. Missale Nr. i38 der Municipalbibliothek in Avignon von fol. 333 an.

2. Ludolph de Chartreux, Liber de vita Christi, 2 Bände, Nr. 337 und 339 derselben
Bibliothek.

3. Augustinus Triumphus, Cornmentarius in Matthiam, 2 Bände, Nr. 71 und 72 der-
selben Bibliothek.

4. Antiphonar Nr. 197 derselben Bibliothek.

Diese Handschriften enthalten einen Schmuck, der ungemein typisch ist. Die Form der
illuminirten Initialen ist französisch streng geschlossen, der Buchstabe ist umrahmt und das
Mittelfeld mit einer Tapete oder mit einem Ornament ausgefüllt. Von dem Buchstaben läuft
ein Rankenornament aus. Es sind die toscanischen Akanthusranken, doch nicht
als lose Blätter oder in einer losen Verbindung sondern wie das mittelalterliche
Ornament sich streng und organisch aus einem ornamentalen Schema entwickelnd.
Die Rankenblätter selbst und die Knospen, in welche sie auslaufen, haben bestimmt
stilisirte Formen angenommen. Sie sind fast durchwegs auf ausgezackten Gold-
hintergrund gelegt wie die analogen Ornamente in älteren und gleichzeitigen
französischen Arbeiten. Und hie und da finden wir sie auch mit unverändert übernomme-
nen französischen Motiven verbunden.

Es ist die toscanische Ornamentik, welche von französischen Illuminatoren oder wenig-
stens unter französischem Einflüsse umgeformt wurde. Am auffallendsten tritt uns dieser
Sachverhalt in der Technik und in der Farbengebung entgegen. Für beides waren italie-
nische Vorbilder und italienische Werkstattgewohnheiten maassgebend. Dennoch findet man
in keiner italienischen Handschrift solche Farben. Die grelle Farbenverschwendung der
italienischen Codices erscheint hier gedämpft, das in Italien vorherrschende Kobaltblau
und Zinnoberroth wurde durch gebrochene Töne ersetzt. Besonders charakteristisch ist die
Zusammenstellung von Blau, Violett und Rosa. Die Farben sind klarer als in italienischen
Arbeiten und das Gold wird nach französischer Art weniger stark aufgelegt.

In der Handschrift des Ludolph von Saxen findet man zweimal ein Blatt mit voll-
kommen französischen Ornamenten (Bd. I, fol. 1 und 240). Die Seiten-
ränder sind durch eine nordfranzösische Dornblatttapete geschmückt,
während zwischen den Columnen ein Streifen aus italienischen Ranken-
ornamenten angebracht ist. Auf fol. 1 findet sich eine Miniatur, die
Darstellung des thronenden Heilands. Das Bild steht in der Mitte
zwischen älteren nordfranzösischen und italienischen Miniaturen. In
den Farben, in der plastischen Behandlung des Gewandes, in den
Formen des Thrones zeigt sich italienischer Einfluss. Dennoch sieht man
auf den ersten Blick, dass die Miniatur von keinem Italiener gemalt wurde.

Die Handschriften sind leider nur einfache und rohe Arbeiten
und enthalten nur Initialen und Ornamente. Miniatur wurde ausser an
der genannten Stelle nur noch einmal zum Schmucke verwendet. In dem Commentar des Augustino
Trionfo ist auf fol. 3' des ersten Bandes der Evangelist Matthäus dargestellt. Die Mischung italienischer
und französischer Elemente tritt auch da deutlich zu Tage.

Die Schrift und die kalligraphische Ausschmückung, so weit eine solche angewendet wurde (in
dem Missale und dem Antiphonar) sind französisch.

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T

■P ■

Fig. 18. Initiale und Randleiste (verkleinert) aus
der Handschrift Nr. 337 der Bibliothek des
Musee Calvet in Avignon, f. 5'.

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