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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 29.1910-1911

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I. Teil: Abhandlungen
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Pollak, Oskar: Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520-1600
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https://doi.org/10.11588/diglit.6176#0115
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io8

Oskar Pollak.

Fig. 25. Turm des St. Veitsdoms.

bringt, da diese sich ausschließlich auf den vent
den nordischen Meistern auch in der späteren

in Domodossola verwendet.1 Es ist übrigens be-
achtenswert, daß dieses Bauglied in dem bekannten
Schnitte der «Seena satyrica» im II. Buche der Ar-
chitektur des Serlio (fol. 29v) zweimal vorkommt.
In Prag scheint das Motiv gefallen zu haben; wenig-
stens sehen wir es auf der Ansicht des Hradschin vom
Jahre 1743 2 an einem heute nicht mehr existieren-
den Renaissancehause auf dem Kleinseitner Ring-
platze wieder auftreten; noch um die Wende des

XVI. zum XVII. Jahrhundert verwendete es der
Architekt des Hauses «zur Minuta» auf dem Alt-
städter Ringe.

Betrachten wir nun den Giebel, so zeigt er im
Prinzip des Aufbaues und des Umrisses eine dem
Giebel des Palais Slawata ganz ähnliche Form, mit
dem Unterschiede jedoch, daß die horizontalen Ge-
simsbänder wirklich als dreigeteiltes Gesimse mit
Architrav, Fries und Kranzgesims behandelt sind,
die sich über wirklichen toskanischen Pilasterchen,
im dritten Abteil über Voluten verkröpfen.

In dem ganzen Werke sehen wir also das Kom-
promiß eines bedeutenden italienischen Architekten,
der die heimischtraditionelle Form aufnimmt (oder
aufnehmen muß?), so weit es ihm sein künstlerisches
Gewissen erlaubt, und der diese Form so weit mit
italienischem Strukturgefühl durchsetzt, als diese es
vertragen kann.

Hier drängt sich gleich die Frage auf, wie es
möglich war, daß bei der schnellen Aufnahme ita-
lienischer Bauformen, wie wir das noch weiter ver-
folgen werden, bei dem Wunsche, direkt italienische
Bauten auf nordischen Boden zu verpflanzen, wie
wir das am Belvedere sahen und noch bei anderen
Luxusbauten und kirchlichen Werken sehen werden,
gerade der Palast- und Bürgerhausbau bis tief ins

XVII. Jahrhundert hinein nicht von den durch die
Tradition gegebenen Bahnen abwich und daß sogar
italienische Baumeister sich diesem Wege anbequem-
ten? Für die einheimischen Baumeister ist die Frage
leicht zu beantworten: es fehlten ihnen die geeig-
neten Vorbilder. Was sie aus eigener Anschauung in
Oberitalien kennen konnten, war des Klimas wegen
unmöglich zu verwenden; ebensowenig brauchbar
waren die Hausfassaden, die Serlio im IV. Buche

tinischen Hausbautypus beschränken. Und so tief war
eit die italienische Renaissance nicht in Fleisch und

1 Abbildungen dieses Palastes bei Errera, l.'Ossola («Italia artistica» Nr. 38), Bergamo 1908, p. 121 — 123.

2 Vgl. die Reproduktionen bei Podlaha-Hilbert, Chräm Sv. Vita v Praze (Prag 1906), p. 8.
 
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