Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]: Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) (29.1910-1911)

Studien zur Geschichte der Architektur Prags 1520—1600.

Dome aufgerichtet wurde (Fig. 34). Obwohl die ganze Komposition für eine liegende Grabplatte
gedacht ist, wollte man sie doch der kostbaren Ausführung halber nicht dem Abtreten preisgeben und
stellte sie daher auf einem in zwei s-förmigen Profilen ablaufenden Untersatz auf; schief über diesem
Postament liegt die Inschrifttafel. Die eigentliche Platte ist von einem glatten Rahmen umgeben, auf
dem an den Längsseiten je drei Wappen in Hochrelief angebracht sind. In diesem einfachen Rahmen

Fig. 46. Portal aus Serlio, Libro extraordinario.

ruht die Verstorbene, in ein reichgefälteltes, über den Rand hinaushängendes Gewand gekleidet, den
Kopf durch ein Kissen gestützt; die Hände ruhen auf den Köpfen ihrer neben ihr'liegenden Kinder.
Die außerordentliche Großzügigkeit der Stilisierung trotz feiner Detailarbeit, die Größe und der feier-
liche Ernst der Auffassung, die Innigkeit der Empfindung weisen dem Werke einen besonderen Platz
in der Geschichte der deutschen Bildhauerkunst an; denn ein deutscher Meister, aus gotischer Schulung
hervorgegangen, war es sicherlich, dem wir diese vornehme Arbeit verdanken. Wenn man an die vielen
bildhauerischen Aufgaben denkt, die vom Belvederebaue bis zum Hofgartenbrunnen italienischen Stein-
metzen und Bildhauern zufielen, so ist es zu bedauern, daß Künstler vom Schlage dieses Meisters nur