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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Tietze, Hans: Programme und Entwürfe zu den großen österreichischen Barockfresken
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0015
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Programme und Entwürfe zu den großen österreichischen Barockfresken.

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und seine Ausführung nimmt alle Mittel der Kanzelheredsamkeit und der Schriftauslegung zuhilfe. Be-
sonders durchsichtig ist die Disposition des ersten Programmes, das die Sequenz ausführt:

«.Ecce panis angelorum,
Factus cibus viatorum,
Veni panis filiorum.
In figaris praesignatur,
Cum Isaac immolatur,
Agnus paschae deputatur,
Datur Manna patribus.»

Die Ausführung dieser Verse bildet die Darstellung der drei in den letzten Versen genannten alt-
testamentlichen Vorbilder des eucharistischen Opfers, denen als viertes die Speisung des Elias in der
Wüste zugesellt ist; ganz entsprechend erscheinen im dritten Programm als Typen des Kreuzestodes aus
dem alten Testament der Stab des Moses, das Holz in Marath, das die bitteren Wasser trinkbar machte,
der Pflock, an dem die Kundschafter die große Traube trugen, und die eherne Schlange. Am stärksten
allegorisch ist das zweite Programm, das Maria als Lehrmeisterin der Tugenden preist; dem Reigen der
24 Tugenden um die heil. Jungfrau entsprechen in den vier Stichkappen die stürzenden Gestalten nicht
historischer Figuren, sondern allegorischer Pseudo-Magistri und Magistrae: Lucifer, Mundus, Caro,
Haeresis. Am meisten ist das vierte Programm einer historischen Darstellung angenähert; es ist die Ver-
urteilung des heil. Johannes Nep. durch den König; aber den vollen Sinn der Szene ergeben erst die
Nebengestalten von Furor und Favor neben dem Könige, von Fortitudo und Silentium zuseiten des
Heiligen. Die stürzenden Figuren in den Stichkappen haben wieder allegorischen Charakter; es sind
Detractio, Calumnia, Infamia und Crudelitas.

Bei solchen religiösen Darstellungen ergibt sich die Notwendigkeit oder Nützlichkeit eines durch
einen Theologen entworfenen Programmes von selbst; aber auch bei mythologisch-allegorischen Fresken
stand es kaum anders. Tat sich doch, wie ein fast zeitgenössischer Zeuge zugesteht, «unter den damali-
gen (1751) zwar allerdings geschickten Artisten außer Daniel Gran keiner hervor, der mit dem beson-
deren Talente zu den Künsten auch die erforderliche Literatur verband».1 So gab es auch hier literari-
sche Berater, deren Rolle sich oft auf das Abfassen von Devisen und lateinischen Inschriften beschränkte,
von denen aber bisweilen ausführliche Programme für Malereien entworfen wurden. Der erste dieser
Männer, die eine Art offizieller Bestallung als literarischer Tausendkünstler besaßen, war Graf Johann
Baptist Comazzo, dessen Programm zu dem Deckengemälde Antonio Beduzzis im großen Saale des
Wiener Landhauses (1710) im Codex provincialis der niederösterreichischen Landstände zu finden ist.
Das Thema der Dekoration ist eine Verherrlichung des Hauses Osterreich. Vor der thronenden Provi-
dentia, neben der Putten die Reichsfahne und den österreichischen Bindenschild halten, kniet die Austria
und greift nach dem Herzogshut, den zwei Genien auf einem Polster tragen. In den vier Gewölbekappen
sind die vier Erdteile dargestellt, die in Verbindung zu Österreich gesetzt werden.2 Der Grundgedanke
ist mit größter Straffheit vorgebracht; kein Beiwerk, keine Nebenfiguren komplizieren die knappe Alle-
gorik des Programms. Noch überwiegt der symbolische, devisenartige Charakter, der die Bedürfnisse
eines üppigen Dekorationsstils zurückstellte.

Wichtiger als dieser vereinzelte Fall ist die Rolle, die Karl Gustav Heraeus und Konrad Adolf
von Albrecht unter Karl VI. spielten; sie gehören in hohem Grade zur geistigen Physiognomie dieses
Hofes. Heraeus hat Programme, wie sie uns an dieser Stelle interessieren, nicht verfaßt; seine Angaben
für Trauergerüste und Illuminationen etc. gehen auf die künstlerische Gestaltung der Objekte nicht ein 3
sondern beschränken sich rein auf das Gegenständlich-Allegorische, sein Hauptinteresse beanspruchen
die Devisen und Embleme und auf deren Gebiete scheint er Meister gewesen zu sein. Damit erscheint
auch er als Erbe der vorangehenden Jahrhunderte, die dem XVIII. Jahrhundert — und eigentlich auch
dem XIX. — das Bedürfnis nach gelehrtem Schmuck, zumal der Festapparate, hinterließen. Einige

1 Anton Weinkopf, Beschreibung der k. k. Akademie der bildenden Künste in Wien IJ83, Neudruck 1875, S. 2.

2 A. Hg, A. Beduzzi, in den Berichten und Mitteilungen des Wiener Altertumsvereines XXX, 73. ^

3 Gedichte und lateinische Inschriften des . . . Karl Gustav Heraeus, Nürnberg 1721.
 
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