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Gustavo Frizzoni.
gelegt habe, von der er dem befreundeten Bildhauer Mitteilung machte und die dieser, indem er deren
Inhalt etwas vereinfachte, wie es sich bei einem Flachrelief ziemte, für seine Arbeit benutzte. Kommen
ja doch die meisten der schwebenden Engelchen in ihren schwungvollen Stellungen in manch anderen
Gemälden Lottos vor, während nur jener eine Engel der Bronze von denen des Bildes abweicht, der in
ruhiger Haltung, fast wie ein Nach-
klang der Putten eines Giovanni
Bellini, in der unteren Reihe das
Kreuz umfaßt. Die Christusgestalt
aber mit den ausgebreiteten Armen
und den geöffneten Handflächen
ist derart gedacht, daß man durch-
aus wieder auf die Auffassungsart
Lottos zurückgeführt wird.
Als Bestätigung mag hier
weiterhin ein Gemälde Lottos an-
geführt werden, in dem sich trotz
des verschiedenen Gegenstandes
recht ähnliche dramatische Nei-
gungen offenbaren. Es befindet sich
in den Marken, in der kleinen
Kommunalsammlung zu Osimo,
einem auf luftiger Anhöhe im An-
blick des adriatischen Meeres ge-
legenen Städtchen, unweit Ancona.
Das begeisterte Christuskind, mit
der Rechten den Segen erteilend,
die Linke auf das rechte Knie der
Mutter gestützt, wird von dieser
mit Ehrfurcht angestaunt, indem
sie ihre Gefühle durch Ausbreitung
der Arme kundgibt. Hinter ihr drei
schwebende Engel mit ausgebreite-
ten Flügeln, gleichfalls höchst de-
monstrativ in ihren Bewegungen,
der eine hellrot, der zweite weiß,
der dritte grün gekleidet. Alles ist
in dem Bilde in sehr klarer, durch-
sichtiger Farbe gehalten, so daß es
aussieht, als ob es eine Tempera-
malerei wäre. Wer würde bei so ausgeprägten Merkmalen darin nicht sofort denselben Meister erkennen,
dem das Wiener Gemälde angehört? Auch der Zeit der Entstehung nach mag es von diesem nicht all-
zuweit entfernt sein; denn in seinem Rechnungsbuch wird unter Januar 1542 ein Gemälde *di nostra
dona con tre anzoletti» angeführt, das er für Lucretia, die Tochter seines Neffen Mario d'Armano, aus-
führte, als sie sich dem Kloster zu widmen anschickte.1
Das hier (Fig. 4) abgebildete Gemälde in Osimo entspricht dem Stile nachgerade dieser Schaffens-
periode des Meisters so sehr, daß in ihm wohl das in der angeführten Eintragung des Rechnungs-
buches erwähnte wieder zu erkennen ist.
Photogr. von A. Taramelli, Bergamo.
Fig. 5. Lorenzo Lotto, Trinitä.
Bergamo, Sant'Alessandro in Croce.
1 A. a. 0., p. 206.
Gustavo Frizzoni.
gelegt habe, von der er dem befreundeten Bildhauer Mitteilung machte und die dieser, indem er deren
Inhalt etwas vereinfachte, wie es sich bei einem Flachrelief ziemte, für seine Arbeit benutzte. Kommen
ja doch die meisten der schwebenden Engelchen in ihren schwungvollen Stellungen in manch anderen
Gemälden Lottos vor, während nur jener eine Engel der Bronze von denen des Bildes abweicht, der in
ruhiger Haltung, fast wie ein Nach-
klang der Putten eines Giovanni
Bellini, in der unteren Reihe das
Kreuz umfaßt. Die Christusgestalt
aber mit den ausgebreiteten Armen
und den geöffneten Handflächen
ist derart gedacht, daß man durch-
aus wieder auf die Auffassungsart
Lottos zurückgeführt wird.
Als Bestätigung mag hier
weiterhin ein Gemälde Lottos an-
geführt werden, in dem sich trotz
des verschiedenen Gegenstandes
recht ähnliche dramatische Nei-
gungen offenbaren. Es befindet sich
in den Marken, in der kleinen
Kommunalsammlung zu Osimo,
einem auf luftiger Anhöhe im An-
blick des adriatischen Meeres ge-
legenen Städtchen, unweit Ancona.
Das begeisterte Christuskind, mit
der Rechten den Segen erteilend,
die Linke auf das rechte Knie der
Mutter gestützt, wird von dieser
mit Ehrfurcht angestaunt, indem
sie ihre Gefühle durch Ausbreitung
der Arme kundgibt. Hinter ihr drei
schwebende Engel mit ausgebreite-
ten Flügeln, gleichfalls höchst de-
monstrativ in ihren Bewegungen,
der eine hellrot, der zweite weiß,
der dritte grün gekleidet. Alles ist
in dem Bilde in sehr klarer, durch-
sichtiger Farbe gehalten, so daß es
aussieht, als ob es eine Tempera-
malerei wäre. Wer würde bei so ausgeprägten Merkmalen darin nicht sofort denselben Meister erkennen,
dem das Wiener Gemälde angehört? Auch der Zeit der Entstehung nach mag es von diesem nicht all-
zuweit entfernt sein; denn in seinem Rechnungsbuch wird unter Januar 1542 ein Gemälde *di nostra
dona con tre anzoletti» angeführt, das er für Lucretia, die Tochter seines Neffen Mario d'Armano, aus-
führte, als sie sich dem Kloster zu widmen anschickte.1
Das hier (Fig. 4) abgebildete Gemälde in Osimo entspricht dem Stile nachgerade dieser Schaffens-
periode des Meisters so sehr, daß in ihm wohl das in der angeführten Eintragung des Rechnungs-
buches erwähnte wieder zu erkennen ist.
Photogr. von A. Taramelli, Bergamo.
Fig. 5. Lorenzo Lotto, Trinitä.
Bergamo, Sant'Alessandro in Croce.
1 A. a. 0., p. 206.