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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Peltzer, Rudolf Arthur: Der Hofmaler Hans von Aachen, seine Schule und seine Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0163
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Der Hofmaler Hans von Aachen, seine Schule und seine Zeit.

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i

So drängt sich bei einem Überblick über Aachens Werke der Eindruck des Ungleichförmigen,
Gegensätzlichen am stärksten auf. Es empfiehlt sich daher, den Ursachen dieser Erscheinung
nachzuspüren, wenn wir ein Bild seines künstlerischen Charakters entwerfen wollen.

Zwei starke Strömungen kämp-
fen in Aachens Kunst gegeneinander.
Durch Rasse und Schulung wur-
zelt er, der Niederdeutsche, in den
Niederlanden, — mit der Dürer-
schule verbinden ihn nur sehr lose
Fäden — der mächtigere Zeitgeist
aber treibt ihn der italienischen
Kunst in die Arme. Diese beiden
gegensätzlichen Elemente, den nor-
dischen Charakter und die italieni-
sche Formenwelt, zu einer befriedi-
genden Einheit zu verschmelzen,
ist ihm ebensowenig gelungen wie
seinen zahlreichen Genossen aus
Deutschland und den Niederlanden.
Dies Ziel zu erreichen, blieb erst der
folgenden Generation vorbehalten,
insbesondere einem Rubens, der es
verstand, die italienischen Formen
seinernordischen Individualität anzu-
passen. Aachen besaß diese Schwung-
kraft des Geistes nicht, seine Phan-
tasie war nicht allzu reich, seine
Empfindung ging nicht sehr tief und
auch in formaler Beziehung haftet

«Iii

seinen den Italienern nachempfun-
denen Werken oft etwas störend
Kleinliches, Trockenes, Eckiges an,
das unser an den Schönheitsregeln
der klassischen Kunst gebildetes
Auge unangenehm empfindet. Diese
formalen Mängel resultieren jedoch
nicht nur aus dem nordischen Ein-
schlag in Aachens Kunst, zum Teil
finden sie in den Prinzipien des Ma-
nierismus ihre Erklärung. Seine Fi-
guren können trotz des Strebens
nach welscher Eleganz und Zierlich-
keit der Formen ihre nordische Heimat selten verleugnen. Die Köpfe sind oft zu derb gebildet; die
vorschriftsmäßigen Sehnsuchtsaugen schauen leicht etwas blöde zum Himmel auf. Auch sein blonder
Madonnentypus ist mehr deutsch als italienisch, während dagegen der überzarte Körper Christi jene
«soavita armonica delle membra bellissime e delicate senza crudezza alcuna» aufweist, die Lomazzo 1
von einem schönen Körper verlangt. Am besten gelingen ihm Kinder. Das tändelnde Spiel der Engel,

Fig. 70. Hans von Aachen, Kaiserin Anna, Gemahlin des Kaisers Matthias.
Nürnberg, Germanisches Museum.
Verz. [, Nr. 39.

1 Trattato della pittura, Milano 1585, VI. Buch, p. 288; (Ausgabe 1844, Bd. II, p. 81.)
 
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