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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Peltzer, Rudolf Arthur: Der Hofmaler Hans von Aachen, seine Schule und seine Zeit
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0166
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J54

Rudolf Arthur Peltzer.

zeichnete Personen, schöne Jünglinge und Frauen, aber beileibe keinen Plebejer für würdig erachtet,
durch den Pinsel verewigt zu werden. Auch tadelt er die schweren Verstöße, die von modernen Künst-
lern hinsichtlich des Kostüms gemacht würden, wenn z. B. ein Kaiser mit dem Barett auf dem Kopfe
dargestellt werde, so daß er mehr einem Krämer als einem Herrscher gleiche. Nicht einmal Aachens
Kaiserporträte würden also vor den Augen dieses strengen Kunstrichters Gnade gefunden haben. Selbst
in Holland, wo man doch die Fühlung mit der Natur nie ganz verloren hatte, galt im Zeitalter des

Manierismus, wenn wir van Man-
ders Ansicht als communis opinio
bestehen lassen wollen, das Porträ-
tieren nach der Natur nur als
ein «Seitenweg» der wahren
Kunst, der von der Historien- und
Figurenmalerei, dem Weg zur
höchsten Vollkommenheit, abführe,
«wodurch mancher glänzende Geist
zum Schaden für die Kunst un-
fruchtbar und gleichsam ausgelöscht
bleiben muß».1 Nur die Not oder
Gewinnsucht kann nach Manders
Ansicht den Maler in das Bildnis-
fach treiben. Bei solchen Kunst-
anschauungen wird es verständlich,
weshalb die realistische, niederlän-
dische Grundstimmung in Aachens
Charakter nur selten hervorbricht
und er es im allgemeinen vorzieht,
die abgedroschenen Themen der
Mythologie und unfruchtbare Alle-
gorien zu malen statt Porträte und
Genrebilder, für die er unstreitig
eine größere Begabung besaß. Wie
wenig Wert Aachen selbst auf das
Porträtmalen gelegt hat, geht auch
aus dem Umstand hervor, daß seine
Bildnisse im Gegensatz zu den an-
deren Darstellungen alle nicht sig-
niert sind.

Indessen würde der Gegensatz
zwischen dem italienischen von Aachen adoptierten Kunstwollen und seiner nordischen Charakter-
anlage allein nicht genügen, um die großen Kontraste in seinem Werke zu erklären. Es kommt ein wei-
teres wichtiges Moment hinzu. Aachens Leben fällt in eine Ubergangszeit, die Epoche der wer-
denden Barockkunst. So empfinden wir überall den Zwiespalt zwischen den Traditionen der ab-
sterbenden Renaissancekunst und den Idealen einer neuen Zeit. Diese barocken Faktoren in
Aachens Kunst durchkreuzen sich nun vielfach mit den Charakterzügen, die wir als nordisch ge-
kennzeichnet haben, entsprechend der allgemeinen Bedeutung der nordischen Kunst für die Bildung
des Barockstils. Schon jener Subjektivismus, wie er in den physiognomischen Studien zu Tage tritt,
und die Lust am Derben, Volkstümlichen weist über den Manierismus hinweg in eine spätere Zeit.2

1 Dieser Erguß findet sich im Leben Miereveits: Floerke-van Mander II, S. 219; vgl. II, S. 9 und 283.
- Vgl. Riegl, Die Entstehung der Barockkunst (Wien 1905), S. 203.

Fig. 72. Josef Heintz, Die Anbetung des Christkindes durch die Hirten.
Aquarell. Innsbruck, Ferdinandeum.
 
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