Neue Beiträge zur Dürer-Forschung.
das «Buch und Leben des hoch-
berühmten Fabeldichters Aesopi»
(Ulm, Johannes Zauner, 1475).
Hier verhüllt Frau Venus ihre
Nacktheit nur mit einem Turban,
von dem ein langer Schleier herab-
fällt (Fig. 5). Dürer geht noch
freier, modellmäßiger vor; er läßt
auch den Schleier fallen (Fig. 6).
Während dieses «Fräulein
bei Bonnat» bis heute noch bald
nach Basel, bald nach Straßburg
lokalisiert wird,1 scheint mir der
Christusknabe mit ziemlicher
Sicherheit auf Straßburg als die
letzte Station Dürers hinzuweisen.
Das Gegenständliche, das kleine
Format, die miniaturartige Aus-
führung auf Pergament, die aus
der ganzen Gruppe der frühen
Zeichnungen herausfällt, machen
es wahrscheinlich, daß es sich hier
um ein Widmungsblatt gehandelt
hat, das er als Neujahrsgruß nach
Hause sandte. Vom Original, das
im allgemeinen noch eine recht
gute Erhaltung aufweist, ist merk-
würdigerweise gerade der untere
Rand, von der grünen Linie ab-
wärts, abgeschnitten, auf dem sich
wohl einst die erklärenden Worte:
«■ein guot selig jor» befanden.
Beispiele dieser Art von Weih-
nachtsgrüßen, meist in Holz ge-
schnitten und koloriert, bietet uns
in den mannigfachsten Variationen
die Heitzsche Publikation: Neu-
jahrswünsche des XV. Jahrhun-
derts. Auch hier immer das Chris-
tusknäblein mit der Weltkugel
oder mit einem Vogel in der Hand
und darunter allerlei Wunsch-
worte, wie: «Jhesus bin ich ge-
nant» oder « Jesus ßl gut jar» oder
Fig. 6. Aktstudie nach einem Mädchen (L. 345).
Paris, Sammlung Bonnat.
.Ich haiss Jesus, das ist war, Uh gib mich üch zu ahn gutejar* etc.
Man sandte aber nicht nur einfache Neujahrswunschbildchen; wie uns eine Reihe von Gedichten
aus dem XV. Jahrhundert lehrt, war es auch Brauch, zum Neuen Jahr oder, wie es heißt, «zu diesem
1 Von Bossen wegen der bereits runden Formensprache nach Straßburg gesetzt: Monatshefte für Kunstwissenschaft
1909, S. 576.
XXX. 27
das «Buch und Leben des hoch-
berühmten Fabeldichters Aesopi»
(Ulm, Johannes Zauner, 1475).
Hier verhüllt Frau Venus ihre
Nacktheit nur mit einem Turban,
von dem ein langer Schleier herab-
fällt (Fig. 5). Dürer geht noch
freier, modellmäßiger vor; er läßt
auch den Schleier fallen (Fig. 6).
Während dieses «Fräulein
bei Bonnat» bis heute noch bald
nach Basel, bald nach Straßburg
lokalisiert wird,1 scheint mir der
Christusknabe mit ziemlicher
Sicherheit auf Straßburg als die
letzte Station Dürers hinzuweisen.
Das Gegenständliche, das kleine
Format, die miniaturartige Aus-
führung auf Pergament, die aus
der ganzen Gruppe der frühen
Zeichnungen herausfällt, machen
es wahrscheinlich, daß es sich hier
um ein Widmungsblatt gehandelt
hat, das er als Neujahrsgruß nach
Hause sandte. Vom Original, das
im allgemeinen noch eine recht
gute Erhaltung aufweist, ist merk-
würdigerweise gerade der untere
Rand, von der grünen Linie ab-
wärts, abgeschnitten, auf dem sich
wohl einst die erklärenden Worte:
«■ein guot selig jor» befanden.
Beispiele dieser Art von Weih-
nachtsgrüßen, meist in Holz ge-
schnitten und koloriert, bietet uns
in den mannigfachsten Variationen
die Heitzsche Publikation: Neu-
jahrswünsche des XV. Jahrhun-
derts. Auch hier immer das Chris-
tusknäblein mit der Weltkugel
oder mit einem Vogel in der Hand
und darunter allerlei Wunsch-
worte, wie: «Jhesus bin ich ge-
nant» oder « Jesus ßl gut jar» oder
Fig. 6. Aktstudie nach einem Mädchen (L. 345).
Paris, Sammlung Bonnat.
.Ich haiss Jesus, das ist war, Uh gib mich üch zu ahn gutejar* etc.
Man sandte aber nicht nur einfache Neujahrswunschbildchen; wie uns eine Reihe von Gedichten
aus dem XV. Jahrhundert lehrt, war es auch Brauch, zum Neuen Jahr oder, wie es heißt, «zu diesem
1 Von Bossen wegen der bereits runden Formensprache nach Straßburg gesetzt: Monatshefte für Kunstwissenschaft
1909, S. 576.
XXX. 27