Neue Beiträge zur Dürer-Forschung.
Grüninger vollendet worden war. Ihre Zuschreibung an Dürer fand damals keine allgemeine Zustim-
mung. Röttinger reihte jenes Kanonblatt ein Jahr später seinem Wechtlin-Werke ein.1 Mittlerweile
ergänzte und erhärtete Dodgson,
gestützt auf E. Heidrich, seine
erste Ansicht durch den Hinweis
darauf, daß Dürer die Figur des
Johannes aus jenem Kanonblatte
im Jahre 1510 für den Holz-
schnitt : Christus am Kreuz (B. 55)
neuerdings benützt habe, wobei
er mit Recht geltend machte,
daß der schon reife Künstler kaum
die Figur eines alten Holzschnitt-
werkes entlehnt hätte, sie sei denn
seine eigene Erfindung gewesen.2
Damit wäre auf einem anderen
Wege die Tatsache erwiesen, daß
der junge Dürer sich im Herbste
1493 in Straßburg aufgehalten
und auch für den Holzschnitt ge-
zeichnet hat.
Auch das merkwürdige
Selbstbildnis desselben Jahres,
gleichfalls auf Pergament, ist am
ehesten nach Straßburg zu setzen.3
Es ist durchaus nicht mehr von
Schongauers Art, sondern setzt
mit eigener Kraft ein, so wie das
Bildnis seines Vaters, aber freier
und gereifter, und zeigt den jun-
gen Künstler von einer Dekora-
tionslust beseelt, die bis dahin
noch nicht ihresgleichen fand.
Nicht Basel und Colmar, deren
Kunstweise wir zur Vergleichung
heranziehen können, konnten
ihm diesen malerischen Chic ge-
geben haben. Auch weist das Ko-
stümliche auf einen anderen Ort.
In Straßburg aber malte er Por-
Fig. 8. Zeichnung des Meisters des Hausbuches.
Berlin, kgl. Museen.
träte: seinen Meister und weibspild, so darzu gehoert» ; und hier müssen Elemente auf ihn eingewirkt
haben, die wir nur in ihrer Erscheinung, aber noch nicht in ihrer Ursache erkennen. Das Kostümliche in
seiner bewußten Wirkung, das für seine Zeit höher genommene Format (56-5 X 44) mit emer tast ratn"
nierten Raum- und Fleckenwirkung lassen Erkenntnisse erraten, die bei aller Frühreife Dürers einer An-
1 Röttinger, Hans Wechtlin, in diesem Jahrbuch, Band XXVII, S. 43.
1 Dodgson, Some notes on Durer: Burlington Magazin 191 [, pag. 95.
3 In Imhofs Inventar vom Jahre 1573 und 1574 (Eye, Übersichtstafel, Nr. 28) wird ein Dürer-Contrafect angeführt
vom Jahre 1492: *hat auf dem köpf ein alte kappen». Hier liegt wieder ein Verlesen vor oder es wird überhaupt ein
anderes Bildnis beschrieben.
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Grüninger vollendet worden war. Ihre Zuschreibung an Dürer fand damals keine allgemeine Zustim-
mung. Röttinger reihte jenes Kanonblatt ein Jahr später seinem Wechtlin-Werke ein.1 Mittlerweile
ergänzte und erhärtete Dodgson,
gestützt auf E. Heidrich, seine
erste Ansicht durch den Hinweis
darauf, daß Dürer die Figur des
Johannes aus jenem Kanonblatte
im Jahre 1510 für den Holz-
schnitt : Christus am Kreuz (B. 55)
neuerdings benützt habe, wobei
er mit Recht geltend machte,
daß der schon reife Künstler kaum
die Figur eines alten Holzschnitt-
werkes entlehnt hätte, sie sei denn
seine eigene Erfindung gewesen.2
Damit wäre auf einem anderen
Wege die Tatsache erwiesen, daß
der junge Dürer sich im Herbste
1493 in Straßburg aufgehalten
und auch für den Holzschnitt ge-
zeichnet hat.
Auch das merkwürdige
Selbstbildnis desselben Jahres,
gleichfalls auf Pergament, ist am
ehesten nach Straßburg zu setzen.3
Es ist durchaus nicht mehr von
Schongauers Art, sondern setzt
mit eigener Kraft ein, so wie das
Bildnis seines Vaters, aber freier
und gereifter, und zeigt den jun-
gen Künstler von einer Dekora-
tionslust beseelt, die bis dahin
noch nicht ihresgleichen fand.
Nicht Basel und Colmar, deren
Kunstweise wir zur Vergleichung
heranziehen können, konnten
ihm diesen malerischen Chic ge-
geben haben. Auch weist das Ko-
stümliche auf einen anderen Ort.
In Straßburg aber malte er Por-
Fig. 8. Zeichnung des Meisters des Hausbuches.
Berlin, kgl. Museen.
träte: seinen Meister und weibspild, so darzu gehoert» ; und hier müssen Elemente auf ihn eingewirkt
haben, die wir nur in ihrer Erscheinung, aber noch nicht in ihrer Ursache erkennen. Das Kostümliche in
seiner bewußten Wirkung, das für seine Zeit höher genommene Format (56-5 X 44) mit emer tast ratn"
nierten Raum- und Fleckenwirkung lassen Erkenntnisse erraten, die bei aller Frühreife Dürers einer An-
1 Röttinger, Hans Wechtlin, in diesem Jahrbuch, Band XXVII, S. 43.
1 Dodgson, Some notes on Durer: Burlington Magazin 191 [, pag. 95.
3 In Imhofs Inventar vom Jahre 1573 und 1574 (Eye, Übersichtstafel, Nr. 28) wird ein Dürer-Contrafect angeführt
vom Jahre 1492: *hat auf dem köpf ein alte kappen». Hier liegt wieder ein Verlesen vor oder es wird überhaupt ein
anderes Bildnis beschrieben.
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