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Joseph Meder.
Dürer auch weilen mochte, das Örtliche und Zeitliche beider Reisen fallen augenscheinlich zusammen
und der nach Eindrücken haschende junge Künstler wird wohl die Gelegenheit wahrgenommen haben,
den König und sein Gefolge zu beschauen. Und es war der Mühe wert! Dem Reisebericht einer vene-
zianischen Gesandtschaft verdanken wir für den damaligen Aufenthalt Maximilians in Straßburg eine
ausführliche Schilderung des Empfanges, des Zeremonielles, der Kleiderpracht und des prunkvollen
königlichen Auszuges.1 Am 3o. August nach Tisch hatte die Audienz der venezianischen Edelleute
Fig. 9. Ansicht von Innsbruck, Aquarell von A. Dürer.
Wien, Albertina.
stattgefunden, in der sie von Maximilian selbst zu dem am folgenden Tage geplanten Weiterritt nach
dem Norden eingeladen wurden, «damit sie ihn in vollem Waffenschmuck sehen».
Der Auszug selbst wird in folgender Weise geschildert:
«Da waren alle die Männer, Kanzler, Trompeter, Pauker, welche zu Pferd Sr Majestät harrten. Endlich
trat dieselbe aus dem Hof heraus, von Kopf bis zum Fuß geharnischt — ein überaus glänzender Anblick! Sie ritt
auf einem Schimmel mit capo de leanza,2 welcher ganz mit lichtem Stahl bedeckt war. Auf der Kruppe hatte
der Pferdeharnisch eine sich erhebende Schlange mit geringeltem Schweife, welche bis an den Sattel reichte.
Auf der Brust hatte er zwei Greifen, die sich umarmten; auf der Stirne war ein Horn von Stahl, so daß es aus-
sah wie von einem Einhorn. Auf den Schenkeln (Beintaschen) hatte er zwei Wappen mit dem kaiserlichen Adler:
all dies war in erhöhter Arbeit auf der Stahldecke ausgeführt. Der König aber war ganz geharnischt, ausgenom-
men das Haupt, auf dem er eine rote Pelzhaube mit ganz weißen Federn trug; auch die Kapuze um den Hals
1 Die beiden venezianischen Gesandten Giorgio Contarini und Paolo Pisani reisten 1492 im Auftrage der Republik zu
Kaiser Friedrich und zu König Maximilian, zuerst über Innsbruck nach Linz, dann über Augsburg nach Straßburg und
schließlich durch die Schweiz wieder nach Hause. Die Aufzeichnungen selbst wurden von einem jungen Koadjutor Andrea
Franceschi außerordentlich genau geführt. Der Reisebericht findet sich abschriftlich in einem Manuskript in der Markusbibliothek
(Cl. VII, ital. n° 1795, pag. 25 — 104, saec. XVIII) und wurde von Henry Simonsfeld auszugsweise in der Zeitschrift für Kultur-
geschichte, 4. Folge, Weimar 1895, S. 241 — 283, mitgeteilt; siehe S. 268 fr.
2 Einer Rassenform (nach Boeheim).
Joseph Meder.
Dürer auch weilen mochte, das Örtliche und Zeitliche beider Reisen fallen augenscheinlich zusammen
und der nach Eindrücken haschende junge Künstler wird wohl die Gelegenheit wahrgenommen haben,
den König und sein Gefolge zu beschauen. Und es war der Mühe wert! Dem Reisebericht einer vene-
zianischen Gesandtschaft verdanken wir für den damaligen Aufenthalt Maximilians in Straßburg eine
ausführliche Schilderung des Empfanges, des Zeremonielles, der Kleiderpracht und des prunkvollen
königlichen Auszuges.1 Am 3o. August nach Tisch hatte die Audienz der venezianischen Edelleute
Fig. 9. Ansicht von Innsbruck, Aquarell von A. Dürer.
Wien, Albertina.
stattgefunden, in der sie von Maximilian selbst zu dem am folgenden Tage geplanten Weiterritt nach
dem Norden eingeladen wurden, «damit sie ihn in vollem Waffenschmuck sehen».
Der Auszug selbst wird in folgender Weise geschildert:
«Da waren alle die Männer, Kanzler, Trompeter, Pauker, welche zu Pferd Sr Majestät harrten. Endlich
trat dieselbe aus dem Hof heraus, von Kopf bis zum Fuß geharnischt — ein überaus glänzender Anblick! Sie ritt
auf einem Schimmel mit capo de leanza,2 welcher ganz mit lichtem Stahl bedeckt war. Auf der Kruppe hatte
der Pferdeharnisch eine sich erhebende Schlange mit geringeltem Schweife, welche bis an den Sattel reichte.
Auf der Brust hatte er zwei Greifen, die sich umarmten; auf der Stirne war ein Horn von Stahl, so daß es aus-
sah wie von einem Einhorn. Auf den Schenkeln (Beintaschen) hatte er zwei Wappen mit dem kaiserlichen Adler:
all dies war in erhöhter Arbeit auf der Stahldecke ausgeführt. Der König aber war ganz geharnischt, ausgenom-
men das Haupt, auf dem er eine rote Pelzhaube mit ganz weißen Federn trug; auch die Kapuze um den Hals
1 Die beiden venezianischen Gesandten Giorgio Contarini und Paolo Pisani reisten 1492 im Auftrage der Republik zu
Kaiser Friedrich und zu König Maximilian, zuerst über Innsbruck nach Linz, dann über Augsburg nach Straßburg und
schließlich durch die Schweiz wieder nach Hause. Die Aufzeichnungen selbst wurden von einem jungen Koadjutor Andrea
Franceschi außerordentlich genau geführt. Der Reisebericht findet sich abschriftlich in einem Manuskript in der Markusbibliothek
(Cl. VII, ital. n° 1795, pag. 25 — 104, saec. XVIII) und wurde von Henry Simonsfeld auszugsweise in der Zeitschrift für Kultur-
geschichte, 4. Folge, Weimar 1895, S. 241 — 283, mitgeteilt; siehe S. 268 fr.
2 Einer Rassenform (nach Boeheim).