Neue Beiträge zur Dürer-Forschung.
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lung der Gesamtansicht von Trient (vgl. Fig.n) und die kleinliehe, noch ängstliche Detailarheit jener
von Innsbruck lassen sich doch nicht so verkennen, daß man zeitlich die erstere vor die letztere an-
setzen kann.1 Schon die Vergröße-
rung des Maßstahes von einer An-
sicht zur andern bedeutet den sicht-
baren Fortschritt. Jeder jugendliche
Aquarellist fängt klein an, verwen-
det aber seinen ganzen Fleiß auf
das Detail, seine Liebe erstreckt sich
auf alle Teile im gleichen Maße; im
Fortschreiten erst wird sein Pinsel
kühner, breiter und voller und das
Auge lernt das Wesentliche vom
Unwesentlichen unterscheiden.
Im engsten Anschluß an das
Innsbrucker Blatt, wahrscheinlich
Tage vorher, sind wohl die bei-
den Ansichten eines Schloßhofes
entstanden. Josef Schönbrunner
hatte bereits vor 20 Jahren— aller-
dings nur mündlich — die Ver-
mutung ausgesprochen, daß wir hier
die Ottoburg in Innsbruck vor
uns hätten. Die Sache hat etwas für
sich und läßt sich, freilich nicht
ohne kleine Gewalttaten, allenfalls
so deuten. Die Ansicht (L. 452)
würde darnach den Blick auf den
alten Brückentorturm geben, dessen
Ecktürmchen über den niedrigen
Quertrakt des Schloßhofes herein-
ragen und die tatsächlich eine ge-
wisse Stilähnlichkeit mit der weni-
ger bekannten Innsbrucker Darstel-
lung des Sebastian Schelvom Jahre
1517 aufweisen; das zweite Aqua-
rell Dürers, die Gegenseite dieses
alten Gebäudes aber(L. 453), würde
die Aussicht auf den rückwärtigen
Teil mit dem Ausgangstor und dem Blick auf die gotische Fassade der Jakobskirche gewähren, sowie sie
uns in der Innsbrucker Ansicht erscheint.
Mit dieser allgemeinen Annahme könnte man auskommen, wenn nicht so manche Ungereimtheiten
dagegen sprächen. Daß die Ottoburg gerade im Jahre 1494 von Kaiser Max als unzureichend aufgegeben
und dafür die neue Hofburg am Rennplatz aufgebaut und eingeweiht worden war, wäre für diese Deu-
tung nicht gerade hinderlich.2
Fig. ]3. Deutsche und Venezianerin.
Frankfurt a. M., Stadel'sches Institut.
1 Nach Klebs wäre die Reihenfolge folgende: Hinreise: Zwei Ansichten eines Schloßhofes (L. 452/3), Burg Trient (90);
Rückreise: Trient-Stadt (L. 109), Innsbruck (L. 451) und Felsenlandschaft mit Schloß (L. 449). — Haendcke setzte das Inns-
brucker Blatt gleichfalls auf die Heimreise, und zwar nach dem zweiten Aufenthalt in Venedig.
2 Weber, Das Land Tirol, Innsbruck 1837, Bd. I. Im Jahre 1534 brannte sie wieder ab.
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lung der Gesamtansicht von Trient (vgl. Fig.n) und die kleinliehe, noch ängstliche Detailarheit jener
von Innsbruck lassen sich doch nicht so verkennen, daß man zeitlich die erstere vor die letztere an-
setzen kann.1 Schon die Vergröße-
rung des Maßstahes von einer An-
sicht zur andern bedeutet den sicht-
baren Fortschritt. Jeder jugendliche
Aquarellist fängt klein an, verwen-
det aber seinen ganzen Fleiß auf
das Detail, seine Liebe erstreckt sich
auf alle Teile im gleichen Maße; im
Fortschreiten erst wird sein Pinsel
kühner, breiter und voller und das
Auge lernt das Wesentliche vom
Unwesentlichen unterscheiden.
Im engsten Anschluß an das
Innsbrucker Blatt, wahrscheinlich
Tage vorher, sind wohl die bei-
den Ansichten eines Schloßhofes
entstanden. Josef Schönbrunner
hatte bereits vor 20 Jahren— aller-
dings nur mündlich — die Ver-
mutung ausgesprochen, daß wir hier
die Ottoburg in Innsbruck vor
uns hätten. Die Sache hat etwas für
sich und läßt sich, freilich nicht
ohne kleine Gewalttaten, allenfalls
so deuten. Die Ansicht (L. 452)
würde darnach den Blick auf den
alten Brückentorturm geben, dessen
Ecktürmchen über den niedrigen
Quertrakt des Schloßhofes herein-
ragen und die tatsächlich eine ge-
wisse Stilähnlichkeit mit der weni-
ger bekannten Innsbrucker Darstel-
lung des Sebastian Schelvom Jahre
1517 aufweisen; das zweite Aqua-
rell Dürers, die Gegenseite dieses
alten Gebäudes aber(L. 453), würde
die Aussicht auf den rückwärtigen
Teil mit dem Ausgangstor und dem Blick auf die gotische Fassade der Jakobskirche gewähren, sowie sie
uns in der Innsbrucker Ansicht erscheint.
Mit dieser allgemeinen Annahme könnte man auskommen, wenn nicht so manche Ungereimtheiten
dagegen sprächen. Daß die Ottoburg gerade im Jahre 1494 von Kaiser Max als unzureichend aufgegeben
und dafür die neue Hofburg am Rennplatz aufgebaut und eingeweiht worden war, wäre für diese Deu-
tung nicht gerade hinderlich.2
Fig. ]3. Deutsche und Venezianerin.
Frankfurt a. M., Stadel'sches Institut.
1 Nach Klebs wäre die Reihenfolge folgende: Hinreise: Zwei Ansichten eines Schloßhofes (L. 452/3), Burg Trient (90);
Rückreise: Trient-Stadt (L. 109), Innsbruck (L. 451) und Felsenlandschaft mit Schloß (L. 449). — Haendcke setzte das Inns-
brucker Blatt gleichfalls auf die Heimreise, und zwar nach dem zweiten Aufenthalt in Venedig.
2 Weber, Das Land Tirol, Innsbruck 1837, Bd. I. Im Jahre 1534 brannte sie wieder ab.
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