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Joseph Meder.
Nichtsdestoweniger möchte man bei dieser Lokalisierungsfrage am ehesten an Innsbruck denken,
wenn man die auf L. 453 bisher immer unberücksichtigt gebliebene Wappenreihe, welche unter dem
Dachgesimse des linken Treppenturmes in ähnlicher Weise wie an dem goldenen Dachel als Friesdekor
angebracht ist, etwas näher betrachtet. So oberflächlich, weil nebensächlich, sie auch von Dürer behan-
delt erscheint, so erkennt man doch noch darunter den Bindenschild, und zwar mit der richtigen
Farbengebung.
Südlich von Brixen hielt Dürer auch in Klausen, von dem er sich, wie Haendcke an dem Stiche
der Nemesis (B. 77) nachgewiesen hat,1 gewiß eine gut ausgeführte Studie anlegte. WTenn wir heute den
Verlust gerade dieses Blattes beson-
ders bedauern, so geschieht dies aus
dem Grunde, weil es sicher ein ent-
scheidendes Moment in den chro-
nologischen Wirrwarr der Dürer-
Landschaften gebracht hätte.
Die beiden Trienter Land-
schaften, die nun zu folgen haben,
zu trennen, wie es Seidlitz und
L. Klebs getan haben, d. h. das
Schloß (L. 90) in die Zeit der Hin-
reise, die Stadt (L. 109: Fig. 11) in
die der Rückreise zu setzen, mag
aus stilistischen Gründen eine ge-
wisse Berechtigung haben; doch ist
es wohl überhaupt fraglich, ob Dü-
rer auf der Rückreise — man setzt
doch beide Blätter in die Jahre
1494/1495 — noch einmal nach
Trient kam. Verschiedene später
zu erörternde Gründe zwingen zur
Annahme, daß er auf der Rückfahrt
den kürzeren, bereits erwähnten
Weg durch das Ampezzo genommen
habe, so daß er Trient gar nicht
mehr berührte. Andererseits ergeben
sich die technischen Differenzen
wohl nur aus der verschiedenen
Pinselführung; hier Architektur, die wegen ihrer vielen geradlinigen Details den spitzen Pinsel er-
heischt, dort Wasser, Berge, Wiesen und Baumgruppen, die den breit lavierenden Pinsel verlangen. Der-
artig verschiedene Malweisen treten auch auf einem und demselben Blatte auf, z. B. dem Schloßhof, so-
bald stoffliche Unterschiede, z. B. Wolken und Architektur, in Frage kommen, die Dürer schon früh-
zeitig erkannte und möglichst charakteristisch wiederzugeben versuchte.
Von Trient ab fehlen uns alle weiteren Anhaltspunkte; wir wissen z. B. heute nicht, ob er in
Verona, von wo aus der Weg nach Venedig abzweigt und wo er gewiß einen Rasttag hielt, Eindrücke
empfangen hat, die auf seine Kunstweise, wenn auch nur vorübergehend, gestaltend und befruchtend
wirkten.
Erst in Venedig, dem Ziele seiner Reise, begegnen uns wieder deutliche Hinweise. Hier hatte er
Zeit, den Anregungen und Kunstimpulsen aller Art nachzugehen. Die maßgebenden Schulen besaßen
Fig. 14. Kostümstudie nach einer heil. Katharina.
Cöln, Wallraf-Richartz-Museum.
1 Haendcke, Die Chronologie der Landschaften Dürers, Straßburg 1899.
Joseph Meder.
Nichtsdestoweniger möchte man bei dieser Lokalisierungsfrage am ehesten an Innsbruck denken,
wenn man die auf L. 453 bisher immer unberücksichtigt gebliebene Wappenreihe, welche unter dem
Dachgesimse des linken Treppenturmes in ähnlicher Weise wie an dem goldenen Dachel als Friesdekor
angebracht ist, etwas näher betrachtet. So oberflächlich, weil nebensächlich, sie auch von Dürer behan-
delt erscheint, so erkennt man doch noch darunter den Bindenschild, und zwar mit der richtigen
Farbengebung.
Südlich von Brixen hielt Dürer auch in Klausen, von dem er sich, wie Haendcke an dem Stiche
der Nemesis (B. 77) nachgewiesen hat,1 gewiß eine gut ausgeführte Studie anlegte. WTenn wir heute den
Verlust gerade dieses Blattes beson-
ders bedauern, so geschieht dies aus
dem Grunde, weil es sicher ein ent-
scheidendes Moment in den chro-
nologischen Wirrwarr der Dürer-
Landschaften gebracht hätte.
Die beiden Trienter Land-
schaften, die nun zu folgen haben,
zu trennen, wie es Seidlitz und
L. Klebs getan haben, d. h. das
Schloß (L. 90) in die Zeit der Hin-
reise, die Stadt (L. 109: Fig. 11) in
die der Rückreise zu setzen, mag
aus stilistischen Gründen eine ge-
wisse Berechtigung haben; doch ist
es wohl überhaupt fraglich, ob Dü-
rer auf der Rückreise — man setzt
doch beide Blätter in die Jahre
1494/1495 — noch einmal nach
Trient kam. Verschiedene später
zu erörternde Gründe zwingen zur
Annahme, daß er auf der Rückfahrt
den kürzeren, bereits erwähnten
Weg durch das Ampezzo genommen
habe, so daß er Trient gar nicht
mehr berührte. Andererseits ergeben
sich die technischen Differenzen
wohl nur aus der verschiedenen
Pinselführung; hier Architektur, die wegen ihrer vielen geradlinigen Details den spitzen Pinsel er-
heischt, dort Wasser, Berge, Wiesen und Baumgruppen, die den breit lavierenden Pinsel verlangen. Der-
artig verschiedene Malweisen treten auch auf einem und demselben Blatte auf, z. B. dem Schloßhof, so-
bald stoffliche Unterschiede, z. B. Wolken und Architektur, in Frage kommen, die Dürer schon früh-
zeitig erkannte und möglichst charakteristisch wiederzugeben versuchte.
Von Trient ab fehlen uns alle weiteren Anhaltspunkte; wir wissen z. B. heute nicht, ob er in
Verona, von wo aus der Weg nach Venedig abzweigt und wo er gewiß einen Rasttag hielt, Eindrücke
empfangen hat, die auf seine Kunstweise, wenn auch nur vorübergehend, gestaltend und befruchtend
wirkten.
Erst in Venedig, dem Ziele seiner Reise, begegnen uns wieder deutliche Hinweise. Hier hatte er
Zeit, den Anregungen und Kunstimpulsen aller Art nachzugehen. Die maßgebenden Schulen besaßen
Fig. 14. Kostümstudie nach einer heil. Katharina.
Cöln, Wallraf-Richartz-Museum.
1 Haendcke, Die Chronologie der Landschaften Dürers, Straßburg 1899.