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Emil Reicke.
gegangenen Dürerischen Originale betrachten zu dürfen. Sollte das Porträt doch vielleicht Pirckheimer
darstellen, den Dürer im Jahre 1514 in Ol gemalt hatte? Die Frage hatte gerade für mich ein besonderes
Interesse, weil ich mich schon lange mit Pirckheimer beschäftigte, dessen handschriftlicher Nachlaß auf
der Nürnberger Stadtbibliothek verwahrt ist und namentlich seine reiche Korrespondenz enthält.1 Es
lag nahe zu untersuchen, durch
wen das Bild auf die Stadtbiblio-
thek gekommen war, wo und
zu welcher Zeit sich zuerst die
Angabe findet, daß es Pirckheimer
darstelle. Leider gehen die alten
Inventare der Nürnberger Stadt-
bibliothek nicht sehr weit zu-
rück. Das älteste, in dem sich das
in Rede stehende Bild aufgeführt
findet, ist ein, nach gewissen In-
dizien zu schließen, nicht vor
1718 und nicht nach 1720 ge-
schriebenes Verzeichnis der «Ge-
mählde und Tafeln in der Biblio-
theca publica zu Nürnberg". Darin
findet sich unter Nr. 25 eine Ein-
tragung, deren Schrift zwar etwas
gelitten hat, die aber, soviel ich
sehe, bedeuten soll: «Weiters hin-
unter an dem Repositorio ist des
trefflichen gelehrten Bilibaldi Pir-
j.^-. kejrmheri Effigies».2 Der Name
✓ \J, J MF* ist deutlich lesbar, aber wieder
ausgestrichen und dafür — von
der Hand des 1724. gestorbenen
früheren Stadtbibliothekars Joh.
Wülfer — an den Rand geschrie-
ben: «Hr. Hanns Imhof».3 Wie
sehr diese überraschende Notiz
meinen Zweifeln an der Identität
des Porträtierten mit Pirckheimer
entgegenkam, läßt sich denken.
Dazu kam folgendes: Unter den alten Kupferstichen, die fast von jeder Nürnberger Patrizierfamilie,
außerdem aber auch von vielen bürgerlichen, früher und zum Teil auch jetzt noch in Nürnberg ein-
zig. 4. Willibald Pirckheimer nach einer Kohlezeichnung Dürers vom Jahre 1503,
jetzt im kgl. Kupferstichkabinett in Berlin (Lippmann Nr. 3y6).
1 Im Auftrage der historischen Kommission der kgl. bayrischen Akademie der Wissenschaften in München bereite ich
deren Herausgabe vor.
2 Alte Kataloge der Stadtbibliothek zu Nürnberg, Nr. 3l.
3 Merkwürdigerweise enthält die Eintragung keinerlei Hinweis auf das Dürermonogramm. Wülfer mag es auf dem
vielleicht schon damals stark nachgedunkelten Bilde nicht bemerkt haben. Dagegen spricht Murr davon in seinen Memorabilia
bibliothecarum publicarum Norimbergensium, Pars I, Norimb. 1786, p. i3, und in seiner Beschreibung der vornehmsten
Merkwürdigkeiten in der Reichsstadt Nürnberg, 2. Ausg., Nürnberg 1801, S. 408. Er bestreitet aber die Autorschaft des Meisters.
Dementsprechend erwähnt Ranner, Kurzgefaßte Beschreibung der Nürnbergischen Stadtbibliothek, Nürnberg 1821, S. 19, das
Bild nur als das «Wilibald Pirkheimers mit der Jahrzahl 1514». Priem, Die Stadtbibliothek in Nürnberg, Nürnberg 1883,
S. 3, führt einfach nur das Bild auf und spricht weder von Jahreszahl noch Monogramm. Die Notiz bei Murr wird auch von
Heller (Leben Dürers, Bd. II, S. 211) angeführt.
Emil Reicke.
gegangenen Dürerischen Originale betrachten zu dürfen. Sollte das Porträt doch vielleicht Pirckheimer
darstellen, den Dürer im Jahre 1514 in Ol gemalt hatte? Die Frage hatte gerade für mich ein besonderes
Interesse, weil ich mich schon lange mit Pirckheimer beschäftigte, dessen handschriftlicher Nachlaß auf
der Nürnberger Stadtbibliothek verwahrt ist und namentlich seine reiche Korrespondenz enthält.1 Es
lag nahe zu untersuchen, durch
wen das Bild auf die Stadtbiblio-
thek gekommen war, wo und
zu welcher Zeit sich zuerst die
Angabe findet, daß es Pirckheimer
darstelle. Leider gehen die alten
Inventare der Nürnberger Stadt-
bibliothek nicht sehr weit zu-
rück. Das älteste, in dem sich das
in Rede stehende Bild aufgeführt
findet, ist ein, nach gewissen In-
dizien zu schließen, nicht vor
1718 und nicht nach 1720 ge-
schriebenes Verzeichnis der «Ge-
mählde und Tafeln in der Biblio-
theca publica zu Nürnberg". Darin
findet sich unter Nr. 25 eine Ein-
tragung, deren Schrift zwar etwas
gelitten hat, die aber, soviel ich
sehe, bedeuten soll: «Weiters hin-
unter an dem Repositorio ist des
trefflichen gelehrten Bilibaldi Pir-
j.^-. kejrmheri Effigies».2 Der Name
✓ \J, J MF* ist deutlich lesbar, aber wieder
ausgestrichen und dafür — von
der Hand des 1724. gestorbenen
früheren Stadtbibliothekars Joh.
Wülfer — an den Rand geschrie-
ben: «Hr. Hanns Imhof».3 Wie
sehr diese überraschende Notiz
meinen Zweifeln an der Identität
des Porträtierten mit Pirckheimer
entgegenkam, läßt sich denken.
Dazu kam folgendes: Unter den alten Kupferstichen, die fast von jeder Nürnberger Patrizierfamilie,
außerdem aber auch von vielen bürgerlichen, früher und zum Teil auch jetzt noch in Nürnberg ein-
zig. 4. Willibald Pirckheimer nach einer Kohlezeichnung Dürers vom Jahre 1503,
jetzt im kgl. Kupferstichkabinett in Berlin (Lippmann Nr. 3y6).
1 Im Auftrage der historischen Kommission der kgl. bayrischen Akademie der Wissenschaften in München bereite ich
deren Herausgabe vor.
2 Alte Kataloge der Stadtbibliothek zu Nürnberg, Nr. 3l.
3 Merkwürdigerweise enthält die Eintragung keinerlei Hinweis auf das Dürermonogramm. Wülfer mag es auf dem
vielleicht schon damals stark nachgedunkelten Bilde nicht bemerkt haben. Dagegen spricht Murr davon in seinen Memorabilia
bibliothecarum publicarum Norimbergensium, Pars I, Norimb. 1786, p. i3, und in seiner Beschreibung der vornehmsten
Merkwürdigkeiten in der Reichsstadt Nürnberg, 2. Ausg., Nürnberg 1801, S. 408. Er bestreitet aber die Autorschaft des Meisters.
Dementsprechend erwähnt Ranner, Kurzgefaßte Beschreibung der Nürnbergischen Stadtbibliothek, Nürnberg 1821, S. 19, das
Bild nur als das «Wilibald Pirkheimers mit der Jahrzahl 1514». Priem, Die Stadtbibliothek in Nürnberg, Nürnberg 1883,
S. 3, führt einfach nur das Bild auf und spricht weder von Jahreszahl noch Monogramm. Die Notiz bei Murr wird auch von
Heller (Leben Dürers, Bd. II, S. 211) angeführt.