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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Reicke, Emil: Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien: nebst Beiträgen zur Dürer- und Pirckheimer-Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0253
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Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kais. Gemäldegalerie in Wien.

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sing mit Bezug auf die Zeichnung Hausmann sagen konnte, daß in dieser Profilskizze «mit wenigen
Strichen der lustige Weltweise von Nürnberg am Leben erhalten sei», ist nicht recht verständlich. Der
Gesichtsausdruck ist durchaus nicht freundlich, eher etwas mürrisch, dazu, wie Ephrussi wohl mit Recht
bemerkt, sinnlich. Denn auch dieser Zug lag, wie uns die an ihn gerichteten berühmten Briefe Dürers
aus Venedig lehren, in Pirckheimers Natur; dazu paßt auch der auf der Zeichnung mit demselben Silber-
stift geschriebene obszöne griechische Spruch, dessen eigentlichen Sinn ich freilich nicht zu deuten ver-
mag.1 So schlechthin als lustig darf man Pirckheimer überhaupt nicht bezeichnen, wenn es ihm auch

Fig. 7. Dürer und Pirckheimer auf der Marter der Zehntausend (1508).

an jovialem Humor nicht gefehlt hat. Übrigens zeigt uns die andere, datierte und entschieden feiner
ausgeführte Skizze die gerügten unangenehmen Züge durchweg gemildert.

Auch auf zweien seiner figurenreichsten Kompositionen hat Dürer den Freund verewigt, auf dem
Rosenkranzfest (Fig. 6) und auf der Marter der Zehntausend (Fig. 7). Er erscheint hier beide Male in
ganzer Figur, leider nur sehr klein. Soviel aber läßt sich erkennen, daß auf beiden Gemälden ein Kranz
von lange wallenden Haaren sein Haupt umgibt und daß die Gesichtszüge wohl an die uns bekannten
Porträte Dürers, kaum aber an unsere Ölbilder erinnern.

Noch ein drittes Mal hat Dürer Pirckheimer in ganzer Figur dargestellt, auch diesmal sehr klein,
was aber nicht so sehr ins Gewicht fiele wie der Umstand, daß er den Freund sein Antlitz verhüllen
läßt. Ich denke an die Sterbeszene der Crescentia Pirckheimerin, einer geborenen Rieterin, Pirckheimers
Gemahlin, vom Jahre 1504. Als das Original wird ein Miniaturgemälde in reichem Holzrahmen ange-
sprochen, das sich jetzt im Baron von Rothschildschen Museum in Wien befindet (Fig. 15).2 Ich habe
es leider nicht zu Gesicht bekommen, wohl aber das offenbar darnach gefertigte Ölgemälde, das einen
Teil der sogenannten «Dürerschen Stiftungstafel» bildet, die freilich mit Dürer nicht viel mehr als den
Namen gemein hat. Sie befindet sich in der Rochuskapelle in Nürnberg, jener einzigartigen, wohlge-
pflegten Gedächnisstätte des Patriziergeschlechtes der Imhoff.3 Für uns kommt das Bild hier nicht weiter

1 "Apasvo; xf) <iuJ^f) h tov jrpwxrov. Auf Grund meiner langjährigen Beschäftigung mit Pirckheimer darf ich wohl be-
haupten, daß sich über perverse Neigungen Pirckheimers oder Dürers sonst nichts findet. Daß der Spruch kein klassisches
Zitat ist, glaubt mir auf Grund eingehender Nachsuchungen Herr Schulrat a.D. Professor Dr. Alfred Eberhard, früher in
Braunschweig, jetzt in Bielefeld, ein gründlicher Kenner der erotischen Literatur des Altertums, versichern zu dürfen.

2 Nach einem mir vom Sekretariat des Bankhauses S. M. v. Rothschild freundlichst zur Verfügung gestellten Schreiben
der Frhr. Alfons von Rothschildschen Indendantur vom 6. Juni 1907. Näheres über das Bild im Exkurs.

3 Vgl. darüber Stegmann in seiner Studie über die Rochuskapelle zu Nürnberg, S. 44—48.
 
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