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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Reicke, Emil: Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien: nebst Beiträgen zur Dürer- und Pirckheimer-Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0254
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238

Emil Reicke.

in Betracht, weil darauf, wie gesagt, Pirckheimer sein Gesicht fast ganz einhüllt, indem er sich die Trä-
nen zu trocknen scheint. Dafür möchte ich die Gelegenheit benützen, um in einem besonderen Exkurse
am Schlüsse auf die Verwirrung hinzuweisen, die hinsichtlich des Verbleibs dieser Dürerschen Miniatur
und mit ihr auch einiger anderer Dürerstücke bemerkbar ist.

In einem Kobergerdruck von 1498, betitelt Trilogium animae von Ludovicus Pruthenus oder
de Prussia (Bl. E, Capitulum XXIII) findet sich ein in Holz geschnittener Kopf (Fig. 8), an dessen Stirn
der Sitz verschiedener seelischer Eigenschaften veranschaulicht ist, — also eine Illustration zu einer Art

Phrenologie. Dieser Kopf hat eine unleugbare Ähnlichkeit mit
dem Porträtstich Pirckheimers von Dürer. Direktor Dr. Dörnhöffer
in Wien machte mich darauf aufmerksam und sprach zugleich
die Vermutung aus, daß der Holzschnitt wohl von Dürer herrühren
könne, der seinen Freund hier als physiognomisches Beispiel ge-
wählt habe.1 Ohne auf diese interessante Frage weiter einzugehen,
sei hier nur bemerkt, daß dieser Holzschnitt mehr noch als jedes
andere Pirckheimerporträt von unserem Ölbild verschieden ist.

An Pirckheimer erinnern mich auch zwei Zeichnungen
Dürers in der Albertina (Nr. 3051 und namentlich 3052), Ent-
würfe zu Hofkostümen (Lippmann 541 und 543).2 Ich mußte
dabei an die Briefe aus Venedig denken, in denen Pirckheimer
wegen seiner Prunksucht und seines Einherstolzierens wiederholt
gehänselt wird. Vielleicht hat er dem Freund Modell gestanden.

Das Brustbild eines bartlosen Mannes mit der Jahreszahl
1518 (Lippmann, Nr. 400) ist für Pirckheimer wohl zu jung;
denn schon 1503 sieht er bedeutend älter aus. Auch vermutet
Lippmann, daß die jetzt in der Sammlung des Herzogs von De-
vonshire in Chatsworth befindliche Zeichnung während des Reichs-
tags zu Augsburg entstanden sei. Immerhin ist eine gewisse Ähn-
lichkeit mit Pirckheimer unverkennbar.3

Ein angeblich aus dem Jahre 1505 stammendes Porträt
Pirckheimers, gegenwärtig in der Galerie Borghese in Rom, das noch Waagen als ein treffliches Werk
Dürers ansah,4 wird jetzt für unecht gehalten. Dasselbe gilt von einem kleinen gemalten Porträt
Willibalds im Museum zu Amsterdam, von dem noch Dumesnil annahm, daß Dürers Kupferstich nach
ihm gefertigt worden sei.5 Im königlichen Schlosse in Windsor erwähnt Heller (S. 263) ein Bildnis
Pirckheimers. Ich habe leider keines dieser Bilder zu Gesicht bekommen, zweifle aber nicht daran,
daß, wenn hier wirklich Originalporträte nach dem Leben und nun gar echte Dürers vorlägen, diese
Gemälde sich schon längst einen Namen gemacht hätten.

Ganz kurz sei noch zweier verschollener Werke gedacht. Nach Heller (S. 87) befand sich ein
Bildnis Pirckheimers, eine Federzeichnung, noch 1801 in dem v. Praunschen Kunstkabinett in Nürnberg.
Aber weder Roth, Leben Dürers, noch Will, der sich in der Praunschen Kunstkammer die Dürerschen
Gemälde und Zeichnungen genau ansah (Münzbelustigungen, Teil IV, S. 408), noch auch v. Murr,

1 Vgl. Dörnhöffers Anzeige von \V. Weisbachs Studien, Der junge Dürer: Kunstgeschichtliche Anzeigen 1906, Nr. 3,
S. 84, wo diese Vermutung in noch bestimmterer Weise ausgesprochen ist.

2 Vgl. dieses Jahrbuch IV, 2, S. II und Taft'. 3051, 3052. Die Haltung des Kopfes auf 3052 erinnert sehr stark an
die Pirckheimers auf der Marter der Zehntausend.

3 Dumesnil, Histoire des plus celebres amateurs etrangers, Tome V, Paris 1860, p. 385—388, findet die Züge Pirck-
heimers noch auf einigen anderen Dürerschen "Werken, z. B. in dem Reiter, der die Wage hält, auf dem Holzschnitt der vier
apokalyptischen Reiter, auf dem Allerheiligenbilde usw. Ich kann mich ihm darin nicht anschließen.

* Eye, Leben Dürers, 2. Aufl., S. 125. Heller bei der Aufführung der angeblich in Rom befindlichen Dürerstücke,
S. 240 f., erwähnt es nicht.

5 Eye, S. 53i; vgl. Dumesnil, a. a. O., p. 386.

Fig. 8. Kopf zur Lokalisierung seelischer
Eigenschaften aus dem Trilogium animae
des Ludovicus Pruthenus (Kobergerdruck
von 1498), vielleicht nach einer Skizze
Pirckheimers von Dürer.
 
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