Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

DOI Heft:
I. Teil: Abhandlungen
DOI Artikel:
Reicke, Emil: Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien: nebst Beiträgen zur Dürer- und Pirckheimer-Forschung
DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0261
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Die Deutung eines Bildnisses von Rrosamer in der kais. Gemäldegalerie in 'Wien.

245

wohl einem zu Ansehen gelangten Handwerker entsprechen, als dem stolzen Patrizier, dem durch
Lob verwöhnten Humanistenführer, als den wir Pirckheimer kennen.

Damit wäre nun aber noch nicht allzuviel gewonnen. Denn noch immer bliebe die Frage ungelöst,
wie das Bildnis eines Pirkel dazukam, im XVII. Jahrhundert als das eines Hans Imhoff ausgegeben zu
werden. Dieser letztere Name also mußte die Wege weisen. Lag doch die Annahme nahe, daß eines
unserer Ölbilder im Besitz der Familie Imhoff gewesen und dann später auf den 1522 verstorbenen
Ratsherrn gedeutet worden sei. Sie wird bestätigt durch ein in doppelter Ausführung erhaltenes Ver-
zeichnis von Gemälden, die sich im Besitz eines Nachkommen dieses Mannes befanden. Willibald Im-
hoff, der, wie wir bereits wissen, ein Enkel jenes Hans Imhoff und zugleich des Willibald Pirckheimer
war, hat nämlich im Jahre 1573 ein heute in der Nürnberger Stadtbibliothek befindliches Büchlein1
zusammengestellt, worin er, wie er selbst sagt, alles aufgezeichnet und beschrieben hat, «was ich für
antiquitett auch andere künst und gemel hab, auch wie ich solche wirdig und schecz». In diesem
Büchlein nun, das vor allem dem Nutzen seiner Nachkommen dienen sollte, findet sich unter der Rubrik
«Gemel und was in kupfer gestochen ist», unter der übrigens erst später hinzugesetzten Nummer 50
folgende Eintragung:2 «Mein doth — d.h. mein Pathe — der Purckel contrafectt — fl. Es unter-

liegt wohl keinem Zweifel, daß diese Angabe vortrefflich zu unserm Gemälde paßt. Die für ein Ölbild
etwas niedrige Wertangabe darf nicht weiter befremden. Ein Vergleich mit anderen Ansätzen zeigt, daß
Willibald Imhoff auch manche seiner übrigen Gemälde, darunter auch Ölbilder, nicht höher anschlug.
Auf einen halben Gulden z. B. schätzt er ein «tefelein mit einem Mariapild, wenig färb», d.h. wohl mit
nur ein wenig angedeuteten Farben; dann der «alt Hensin Imhoff, mein anfrau, contrafect in ein tafel
wasserfarb»;3 weiter ein «klein niderlendisch tefelein regenwetter». Auf einen Gulden wird ein «rundes
Mariapild olifarb» taxiert, ein gleiches «Mariapild rund» wieder nur auf einen halben Gulden. Eine
Lucretia von «maister Lucas von Wittemberg», also von Lukas Cranach, steht mit 2r/2 Gulden zu Buch,
eine andere Lucretia, «nit so gut», wie es heißt, nur mit einem Gulden. Auch des «Conrad Imhoff seligen
contrafect» sowie eine «große Venedische Madonay- in Wasserfarben schätzte Willibald nicht höher. Ein
«tefelein olifarb auf holz, ist Johannis enthaubtung» wird wohl auf 2 Gulden bewertet, Imhoff setzt aber
ausdrücklich hinzu: «kost mich fl.3^». Der niedrige Preisansatz verbietet also nicht, das Porträt des
«Purckels» für ein Ölbild zu halten. In dem im Archiv des Germanischen Museums aufbewahrten
Inventar über Willibald Imhoffs nachgelassene Habe vom Jahre 1580 begegnet uns das Bild dann noch
einmal. Hier wird es als unter den Gemälden in der «kammer an der fürstenstuben» unter der (dem
älteren Inventar nachträglich hinzugefügten) Nummer 50 in folgender Weise angeführt: «Item des
Birckls conterfect umb ein halben gülden». Die alten Wertangaben sind, soviel ich sehe, im Nachlaß-
inventar sämtlich beibehalten worden.

Die genauere Identifizierung unseres Pirkel ermöglicht ein auf der Nürnberger Stadtbibliothek er-
haltenes «Memoriapuch» des Willibald Imhoff,4 worin dieser allerlei für ihn und seine Nachkommen
Wissenswertes über sein eigenes Leben, sein Geschlecht, seine Vermögensverhältnisse usw. zusammen-
geschrieben hat. Auf der Rückseite des neunten Blattes findet sich darin folgende Eintragung: «Anno 1519
adi 16. novembrio an einem mitwoch nach sant Martins tag i'jo stund vor tags hat mich gott der herr
auf dise weit lossen geporen werden. Mein doth war — nun kommt eine Lücke für den Vornamen —
Pirckel, gewandschneider.» Wir sind heute besser unterrichtet als das Pathenkind des XVI. Jahrhunderts.
Nach unseren urkundlichen Nachrichten kann Willibalds Pathe kein anderer gewesen sein als der Ge-
wandschneider Hans Pirkel der Jüngere, der ja auch seiner Ehefrau Kunigunde 1526 dasselbe Wappen
auf ihr Grab setzte, mit dem er sich von Hans Brosamer 1520 malen ließ.

Daß für einen vornehmen Patriziersohn kein sozial höher stehender Pate gewählt wurde, darf
keineswegs befremden. Es war damals Sitte in Nürnberg, geringere Leute zu Paten auch für vornehme

1 Die Handschrift trägt die Signatur Amb. 66, 40.

2 A. a. O., Bl. 29 b.

3 Daselbst Blatt 28: Das war also die Frau des zu Unrecht auf den Kupferstich geratenen Hans Imhoff des Älteren.

4 Signatur Amb. 65, 40.
 
Annotationen