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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Editor]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Reicke, Emil: Die Deutung eines Bildnisses von Brosamer in der kaiserlichen Gemäldegalerie in Wien: nebst Beiträgen zur Dürer- und Pirckheimer-Forschung
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0266
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250

Emil Reicke.

Verlauf des XVII. oder gar im XVIII. Jahrhundert nicht mehr und gab sich auch nicht die Mühe, es
mit Hilfe der alten Inventare festzustellen. Aber der Jahreszahl und dem Kostüm der Zeit nach paßte
es vortrefflich zu dem eben genannten älteren Hans Imhoff. Nur der Siegelring störte. Der aber war
leicht geändert — kritische Bedenken machte man sich damals wohl nicht — und so wurde das nicht
mehr gekannte Bildnis des ehrsamen Gewandschneiders Hans Pirkel zur Vorlage benützt für das sonst
nicht nachzuweisende, aber doch gewünschte Kupferstichbildnis des alten Ratsherrn und Patriziers
Hans Imhoff. Weil man aber einmal beim Andern war, so wurde neben dem Wappen auch der Gegen-
stand, den der Darzustellende in der Hand hielt, verändert, indem man den Rosenkranz in ein Blätt-
chen mit dem gekreuzigten Heiland verwandelte. Denn auch
ihre Vorfahren sollten den gut protestantischen Nürnberger
Patriziern kein religiöses Ärgernis geben.1

Dieses Kupferstichporträt, dem wir, wie bereits bemerkt
wurde, in mehreren Ausführungen begegnen, kann nicht wohl
jünger sein als 1724; denn offenbar auf diesen Stich hin hat,
wovon gleichfalls schon die Rede war, der Bibliothekar und
Hauptprediger bei St. Sebald Johann Wülfer in dem alten
Inventar über die Gemälde der Stadtbibliothek eigenhändig die
Bezeichnung unsers Ölbildes als Pirckheimer getilgt und dafür
Hans Imhoff gesetzt. Wülfer aber ist 1724 gestorben. Damit
aber, daß dieser Stich sicher nicht Hans Imhoff darstellt, fällt
auch eine von Thausing2 aufgestellte Hypothese, die sich an
das vielleicht schönste aller von Dürer gemalten Olporträte
knüpft, an das Bildnis eines älteren, bartlosen Mannes in Barett
und Pelzschaube mit einer Papierrolle in der Hand, das jetzt
einen der kostbarsten Schätze des Pradomuseums in Madrid
bildet. Thausing glaubte zwischen diesem Bilde und unserem
Kupferstich eine gewisse Ähnlichkeit zu bemerken. Da nun
Dürer in sehr nahen Beziehungen zu Hans Imhoff und seiner
Firma stand, von deren Vertreter in Antwerpen er sich auf
seiner niederländischen Reise 1521 Geld vorstrecken ließ, an
die er auch wiederholt Ballen mit den von ihm eingekauften
Kunstsachen und anderen Waren nach Nürnberg schickte, da
also Hans Imhoff der Altere, wie es Thausing nennt, gewissermaßen Dürers Bankier war, so lag die
Annahme nahe, daß er von ihm auch gemalt wurde. Das Madrider Bild ist von 1521 datiert. Unterwegs,
auf der Reise, «mit geliehenen Farben und von fremder Palette», meint Thausing, kann es wegen seiner
hohen Vollendung nicht wohl gemalt sein, also wäre es wohl erst in der zweiten Hälfte des Jahres 1521,
als Dürer schon wieder nach Nürnberg zurückgekehrt war, entstanden. Daraufhin aber auf Hans Im-
hoff zu schließen, ist doch allzu gewagt, zumal wohl für die meisten Betrachter der beiden Bildnisse
nicht die geringste Ähnlichkeit zwischen dem herrlichen Madrider Kopf und dem im Vergleich damit
geradezu kümmerlichen des Kupferstiches besteht.

stehen sei, das Murr dann für unecht erklärt hat (vgl. vorher S. 232, Anm. 3). Daß Will ebenso wie Wülfer es nicht für Pirck-
heimer sondern für Hans Imhoff ansprach, erklärt sich wohl daraus, daß ihm als eifrigen Sammler von Kupferstichbildnissen
die Ähnlichkeit zwischen dem auf Hans Imhoff getauften Stich und dem Bilde der Stadtbibliothek nicht entgehen konnte.

1 Der Stecher hat sich bisher nicht feststellen lassen. — Kurzwelly führt in seinen Forschungen zu Georg Pencz
(S. 91) unter den verschollenen Werken dieses Malers eine früher in der Sammlung von Derschau befindliche Handzeichnung
auf, darstellend das Bildnis des Hans Imhoff sen. mit der Jahreszahl 1520. Gemeint kann nur unser Imhofi'sein. Es wäre
interessant, wenn das Blatt, das vielleicht 1871 mit der Sammlung Koller durch Posonyi in Wien zur Versteigerung kam
(als Nr. 184 des Auktionskatalogs), sich irgendwo nachweisen ließe; vorläufig muß ich annehmen, daß es unserem Stecher,
bezw. seinem Auftraggeber unbekannt geblieben ist.

2 Dürer II2, S. 215 ff.

Fig. 14.. Angebliches Bildnis des Willibald
Pirckheimer. Nach einem Kupferstich des
XVIII. Jahrhunderts.
 
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