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Kunsthistorische Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses <Wien> [Hrsg.]
Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen des Allerhöchsten Kaiserhauses (ab 1919 Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlungen in Wien) — 30.1911-1912

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I. Teil: Abhandlungen
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Haberditzl, Franz Martin: Studien über Rubens
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https://doi.org/10.11588/diglit.6177#0290
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272

F. M. Haberditzl.

togatae» gestochene Figur. Der Stich, eine Reproduktion der seinerzeit im Lateran, jetzt im Vatikan
befindlichen Titusstatue wurde 1608, im gleichen Jahre als Rubens die Bilder für die Chiesa nuova
malte, im Werke Philipp Rubens' «Electorum libri duo» ediert (Fig. 14). Die Gewanddrapierung hat

Rubens willkürlich und wohl absichtlich verän-
dert; ein genaueres Vorbild hiefür aber suchen wir,
wie ich glaube, vergeblich auf Antiken. Es fällt be-
sonders auf, daß je zwei Heilige auf den beiden
Bildern, Maurus und Papianus, Nereus und Achil-
leus zum Verwechseln ähnlich dargestellt sind.
Zweifellos wird durch dieses Kunstmittel der sta-
tuarische Eindruck wesentlich verstärkt. Die mit
solcher Konsequenz vorgetragene Absicht einer ver-
einheitlichenden Wirkung in den Einzelfiguren
findet ein Analogon in der einheitlich geschlosse-
nen Komposition der Mitteltafel. Dank einem glück-
lichen Zufall können wir einigermaßen Einblick
gewinnen in das allmähliche Werden und die Pro-
blemstellung bei diesem Werke. Die Handzeich-
nungensammlung des Louvre bewahrt eine Zeich-
nung von Rubens, eine Studie zu dem oberen Teile
des Mittelbildes der Chiesa nuova mit dem Madon-
nenbilde und den umgebenden Putten.1 Im Anhang
zur Beschreibung dieses interessanten Blattes er-
wähnt Rooses2 eine Zeichnung der Albertina: «La
collection Albertine ä Vienne (Nr. 411) possede
une ebauche du tableau du Chiesa Nuova, ä la
plume, lave de bistre (H. 28, L. 15*4) provenant de
la vente Mariette et attribue erronement ä Rubens.»
Diese unbegründete Zurückweisung ist keineswegs
plausibel; ich vertrete die Ansicht, daß wir es mit
einer sehr wichtigen Zeichnung im Oeuvre des
Künstlers zu tun haben. Lavierte Federzeichnun-
gen von Kompositionsentwürfen sind verhältnis-
mäßig selten im Zeichnungenwerke; das mag einen
Vergleich, durch den die Authentizität geklärtwürde,
erschweren. Als nächstbestes Vergleichsobjekt sei
eine ebenfalls ausMariettes Sammlung stammende,
ebenfalls in der Albertina befindliche lavierte Feder-
zeichnung mit dem Kompositionsentwurf der «Nie-
derlage Sancheribs» genannt. Sie entstand um einige
Jahre später als das in Frage stehende Blatt und
wird von Rooses nicht angezweifelt.3 Ein Vergleich
der beiden technisch gleichartigen Zeichnungen ergibt wohl als Resultat, daß die Charakteristika einer
Hand in beiden leicht feststellbar sind. Die Komposition des auf Taf. XXVII abgebildeten Blattes ist
organisch mit der Entstehung des Gemäldes verknüpft. Die genannte von Rooses angeführte Louvre-
zeichnung Nr. 1432 gibt eine spezielle Bearbeitung des Madonnenbildes mit den schwebenden Putten

Fig. 11. Stich nach einer antiken Statue.

Eine damit identische Zeichnung in Grenoble erweist sich als wenig veränderte Kopie im Gegensinne.
Max Rooses. Oeuvre de Rubens, Bd. V, Nr. 1432.
Rooses, a. a. O., Nr. 1425.
 
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