Studien über Rubens.
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wieder und ist offenbar erst nach der Albertinaskizze entstanden. Wenn wir versuchen, die Intentionen
des Künstlers uns klarzumachen, kommen wir als Ausgangspunkt für die Konzeption des jetzt in der
Chiesa nuova befindlichen Mittelbildes natur-
gemäß zur ersten Fassung, die er in dem jetzt
in Grenoble befindlichen, von den Auftrag-
gebern zurückgewiesenen Bilde gab. Den obe-
ren Teil dieses Gemäldes, die Madonna mit
Engeln, gestalteter zu einem selbständigen Bilde
(Mittelbild) aus: das architektonische Gerüst
wird fortgelassen, der räumliche Zusammen-
schluß durch einen Kreis anbetender Engel dar-
gestellt. Diese Idee repräsentiert die Albertina-
skizze; in Einzelheiten, z. B. der prunkvollen
Fassung des Rahmens, den die Putten tragen,
zeigt sich noch die Beziehung zum Ausgangs-
objekte. Worauf der Künstler hinauswill, ergibt
ein Vergleich mit dem Louvreblatte und dem
ausgeführten Gemälde.1 Auf der Albertina-
skizze sehen wir zwei getrennte Kompositions-
gruppen: 1. das Madonnenbild mit den tragen-
den Putten, 2. den geschlossenen Kreis der an-
betenden Engel in drei Reihen übereinander.
Eine Verbindung der beiden Massen wird for-
mal durch den rechts über dem unteren Kreise
in Wolken schwebenden Engel angedeutet. Die
Louvrezeichnung, die das wichtigste Kompo-
sitionselement (das Bild mit den Putten) dar-
stellt, zeigt bereits eine andere Gruppierung:
wir unterscheiden nicht mehr (wie auf der
Albertinazeichnung) drei Gruppen tragender
Putten; sie schließen sich, der Rahmung ange-
paßt, zu einem Kranz. Der Rahmen selbst ist
wesentlich einfacher gehalten. Diese Tendenz
der Vereinheitlichung wird im ausgeführten Ge-
mälde offenbar: der Bildrahmen hat einfachste
Gestalt, ein schmuckloses Oval; die Putten
haben nun völlig den Kranz geschlossen; Bei-
werk, wie die Engelköpfchen an den beiden
oberen Ecken oder unterhalb des Rahmens, ist
fortgelassen. Der vereinheitlichten Komposition
wird auch die übrige Darstellung untergeordnet;
die einschneidendste Veränderung gegenüber der
Albertinazeichnung bildet die Eliminierung der
«vermittelnden» Engelfigur rechts oben und der obersten Engelreihe. Damit erst wird eine lineare
Geschlossenheit der Gesamtdarstellung erreicht, deren Anlage der Beschneidung von S. Ambrogio nahe
verwandt ist. In Einzelheiten mußte auch von der unteren Engelreihe manches geändert werden; bei-
Fig. 14. Stich nach einer antiken Statue.
1 Eine in diesem Zusammenhange wichtige, dem van Dyck zugeschriebene Ölskizze in der Akademiegalerie in Wien
soll an dieser Stelle nur genannt werden; sie dürfte demnächst von G. Glück publiziert werden.
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wieder und ist offenbar erst nach der Albertinaskizze entstanden. Wenn wir versuchen, die Intentionen
des Künstlers uns klarzumachen, kommen wir als Ausgangspunkt für die Konzeption des jetzt in der
Chiesa nuova befindlichen Mittelbildes natur-
gemäß zur ersten Fassung, die er in dem jetzt
in Grenoble befindlichen, von den Auftrag-
gebern zurückgewiesenen Bilde gab. Den obe-
ren Teil dieses Gemäldes, die Madonna mit
Engeln, gestalteter zu einem selbständigen Bilde
(Mittelbild) aus: das architektonische Gerüst
wird fortgelassen, der räumliche Zusammen-
schluß durch einen Kreis anbetender Engel dar-
gestellt. Diese Idee repräsentiert die Albertina-
skizze; in Einzelheiten, z. B. der prunkvollen
Fassung des Rahmens, den die Putten tragen,
zeigt sich noch die Beziehung zum Ausgangs-
objekte. Worauf der Künstler hinauswill, ergibt
ein Vergleich mit dem Louvreblatte und dem
ausgeführten Gemälde.1 Auf der Albertina-
skizze sehen wir zwei getrennte Kompositions-
gruppen: 1. das Madonnenbild mit den tragen-
den Putten, 2. den geschlossenen Kreis der an-
betenden Engel in drei Reihen übereinander.
Eine Verbindung der beiden Massen wird for-
mal durch den rechts über dem unteren Kreise
in Wolken schwebenden Engel angedeutet. Die
Louvrezeichnung, die das wichtigste Kompo-
sitionselement (das Bild mit den Putten) dar-
stellt, zeigt bereits eine andere Gruppierung:
wir unterscheiden nicht mehr (wie auf der
Albertinazeichnung) drei Gruppen tragender
Putten; sie schließen sich, der Rahmung ange-
paßt, zu einem Kranz. Der Rahmen selbst ist
wesentlich einfacher gehalten. Diese Tendenz
der Vereinheitlichung wird im ausgeführten Ge-
mälde offenbar: der Bildrahmen hat einfachste
Gestalt, ein schmuckloses Oval; die Putten
haben nun völlig den Kranz geschlossen; Bei-
werk, wie die Engelköpfchen an den beiden
oberen Ecken oder unterhalb des Rahmens, ist
fortgelassen. Der vereinheitlichten Komposition
wird auch die übrige Darstellung untergeordnet;
die einschneidendste Veränderung gegenüber der
Albertinazeichnung bildet die Eliminierung der
«vermittelnden» Engelfigur rechts oben und der obersten Engelreihe. Damit erst wird eine lineare
Geschlossenheit der Gesamtdarstellung erreicht, deren Anlage der Beschneidung von S. Ambrogio nahe
verwandt ist. In Einzelheiten mußte auch von der unteren Engelreihe manches geändert werden; bei-
Fig. 14. Stich nach einer antiken Statue.
1 Eine in diesem Zusammenhange wichtige, dem van Dyck zugeschriebene Ölskizze in der Akademiegalerie in Wien
soll an dieser Stelle nur genannt werden; sie dürfte demnächst von G. Glück publiziert werden.
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